DER GRÜNECKENSEE

Hoch über dem Tauerntunnel bei Mallnitz in Kärnten liegt am Ostabhang der Gamskarspitze der kleine Grüneckensee. Er ist ganz dunkelgrün, und wenn die Sonne hineinleuchtet, so schillert das Wasser, und deswegen sagt auch das Volk, daß am Grunde des Sees viel Gold liegt.

Da war einmal ein Hirt oben am See mit seinen Ochsen. Zwei davon waren immer ganz mager, die andern aber dick und fett. Und in der Früh, wenn der Hirt die Ochsen gesehen hat, waren die zwei immer naß. Der Hirt hat sich darüber entsetzt und auch der Bauer, und sie haben immer gedacht, was denn das sein kann, daß die zwei Ochsen nicht anders werden. Einmal hat der Hirt aufgepaßt und hat bis Mitternacht gewartet; aber es war nichts. Das zweite Mal hat er dann bis zwei Uhr gewartet, aber da war auch nichts, und in der Früh waren die zwei wieder naß. Das dritte Mal war er die ganze Nacht auf, und da ist das Bergmandl gekommen und hat die Ochsen weggetrieben. Da hat er das Mandl angerufen und hat gefragt, was es denn mit den Ochsen macht. Darauf sagt ihm das Bergmandl, er soll sie ihm nur noch einmal lassen, er werde gut belohnt dafür, und es hat auch noch gesagt, was auf den Hörnern ist, das gehört dem Bauer, und was auf dem Schwanz ist, das gehört ihm. Dann sind die Ochsen wieder zurückgekommen. Auf den Hörnern haben sie Goldklumpen gehabt und auf dem Schwanze auch. Von da an sind sie Tag für Tag besser (fetter) geworden.

Das Mandl, so heißt es, soll das Gold aus dem Berg heraus in den See geführt haben, weil es so viel geneckt und verfolgt worden ist. Zu dem, der es vertrieben hat, soll es gesagt haben: "Ich nichts und du nichts!"


Quelle: Götter- und Heldensagen, Genf 1996, Seite 634