Der Meisterschuß

Einmal kam eine Schar Türken nach Kappel im Rosentale. Dort, wo die Hollenburgerbrücke über die Dräu führt, unter einem Lindenbaume stand der türkische Pascha, die Türken um ihn herum. Da kam jenseits der Dräu der Bauer Pekovz von seinem Hause herab, schoss aus dem Erlengebüsch über den Fluss und traf den Pascha, dass er tot niederfiel. Die Türken, jetzt ohne Anführer, brachen sogleich auf, wendeten sich gegen Zell und wollten über die Gebirge zurück. Es kam die Nacht, dazu viel dichter Nebel, und es wurde so finster, daß man die Hand vor den Augen nicht sehen konnte. Zwei Bauern aus Zell mußten als Wegweiser dienen; die verabredeten sich unterwegs, führten die Türken auf den Bergen herum und in unauffälliger Weise gerade an einen Felsenabgrund. Die Türken sahen in der stockfinsteren Nacht den Abgrund nicht, und die ganze Schar hüpfte nacheinander über die Felsen hinab und erschlug sich. Die Bauern gingen nach Hause und brauchten von da ab statt aller Abgaben der Herrschaft nur mehr alljährlich zwei Krautköpfe zu bringen; Pekovz wurde von allen Abgaben auf immer befreit.

Quelle: J. Rappold, Sagen aus Kärnten, Graz 1887, S. 190 f., zit. nach Sagen aus Kärnten, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1993, S. 177 - 178.

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Wenn die Pfarrgemeinde Altenmarkt zur unweit gelegenen Filialkirche St. Johann in Prozession geht, so wird sie dort nicht, wie sonst üblich, mit einem Sprengwedel, sondern mit einem Wacholderstrauß eingesprengt. Die Veranlassung hierzu ist folgende:

Der Kommandant der türkischen Streifhorden lagerte mit seiner Mannschaft um das Kirchlein St. Johann. Als die Horde eben Mittag hielt, wurde dem Kommandanten von einem Soldaten der Kärntischen Truppen der Bissen vom Munde weggeschossen. Darüber erschrak er derart, dass er eiligst abzog und unter Verwünschungen sagte: »Solange dies Kirchlein im Kranabeth (Wacholder) steht, werden die Türken es nicht mehr sehen.«

Noch jetzt wachsen um St. Johann viele Wacholdersträucher und finden sich in dem nahen Kleinglödnitz Türkenschanzen.

Quelle: J. Rappold, Sagen aus Kärnten, Graz 1887, S. 191, zit. nach Sagen aus Kärnten, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1993, S. 177 - 178.