Das Wappen der Spanheimer

Vor alten Zeiten war ein Graf von Vianden und Ravanzierburg einer Gräfin des Nahegaues, welche Witwe war, sehr zugetan. Auch sie war dem Manne nicht abhold, konnte ihm aber nicht ohne weiteres ihre Hand reichen, da er in einer Fehde einen ihrer Verwandten getötet hatte. Diese Tat in Vergessenheit zu bringen, machte sie ihm den Vorschlag, er sollte zur Sühne jenes Totschlages eine Pilgerfahrt ins Heilige Land antreten und ihr von dort ein Zeichen oder Andenken von den gepriesenen Orten mitbringen, das geweiht und beglaubigt sei. Daran werde sie seine aufrichtige Liebe und den Willen des Himmels zugleich erkennen.

Der Graf von Vianden schied aus dem Heimatlande, und es währte wohl über Jahr und Tag, bevor er an die Rückkehr denken durfte. Er kämpfte gegen die Ungläubigen, betete an den heiligen Stätten und erwarb, sein Gelübde zu lösen, einen Span vom Kreuze des Herrn, dessen Echtheit der Patriarch von Jerusalem durch einen Pergamentsbrief mit bleiernem Siegel beglaubigte. Der Graf von Vianden war sehr glücklich, einen so kostbaren Schatz zu besitzen und ließ eine kleine goldene Truhe anfertigen, kunstvoll gearbeitet, mit Edelsteinen besetzt und auf dem Deckel in erhabenen Buchstaben den Namen der Herrin, welcher er diente. Darauf schickte sich der Graf zur Heimreise an, voll Hoffnung auf Erfüllung seines Glückes. Aber das Geschick erzeigte sich ihm nicht günstig. Auf der Meerfahrt von Palästina nach den Küsten Italiens erhob sich ein furchtbarer Sturm, der das Schiff scheitern machte; kaum daß die Mannschaft das nackte Leben rettete. Alle Habe des Grafen und auch jenes wertvolle Kästchen wurde von den Wogen des Adriatischen Meeres verschlungen.

Wappen der Spanheimer © Harald Hartmann

Das Wappen der Spanheimer - Wand des Handwerksmuseums in Klagenfurt.
© Harald Hartmann, August 2006

Arm und tiefbekümmerten Herzens, ein bettelnder Pilgrim, durchreiste der Graf die Gaue Deutschlands, und so kam er endlich in der Heimat an, wo er zwar des Gutes und Geldes genug fand, allein nichts, was seinen Verlust hätte ersetzen können. Betrübt suchte er die Gräfin auf. Sie hieß ihn freudig willkommen. Er fand sie schöner und liebenswürdiger als je vorher. Das schmerzte ihn um so tiefer, und er sprach: „Frau Gräfin, Ihr sehet mich mit leerer Hand Euch wieder nahen. Ich hatte ein kostbares Reliquienstück, einen echten Span vom Kreuze unseres Herrn, wohlverwahrt in einem köstlichen Schrein, für Euch vom Heiligen Lande mitgebracht. Ein Sturm, der das Schiff stranden machte, raubte mir alle Habe und auch jenes Kleinod, das für Euch bestimmt war, das mein Glück an Eurer Seite begründen sollte." - „Armer Graf!" sprach die Gräfin und betrachtete ihn liebevoll, „so bringt Ihr also vom Kreuze des Herrn keinen Span heim? War etwa auf dem Kästchen, das Euch der Meersturm raubte, mein Name zu lesen?" Der Graf hörte ganz erstaunt diese Worte, er glaubte zu träumen und rief: „Beim Kreuze des Heilandes, Frau Gräfin, wie könnt Ihr das wissen?" - „Gottes Fügung", antwortete sie, erschloß einen Schrein, nahm aus diesem des Grafen goldene Truhe und hielt sie dem Staunenden unter die Augen. „Heute in der Morgenstunde wurde der Klopfer an meinem Burgtore gerührt. Wie der Pförtner öffnet, steht ein lockiger Jüngling draußen, schön wie die Morgenröte, und spricht: ,Für deine Herrin’ Dabei gab er dem Pförtner dies Kleinod in die Hand. Wie dieser wieder aufblickt, ist der Jüngling bereits verschwunden."

Nach der Vermählung erbauten sie eine neue Burg, dann ein Kloster und gründeten den Ort Spanheim (Sponheim). Sie stifteten den heiligen Span in ihr Kloster, und dieses begabte mit kleinen Splittern das nachbarliche Kloster Kreuznach, dessen alter Name Crucinaha - dem Kreuze nahe - davon herkommen soll. Andere leiten aber den Namen von Kreuz an der Nahe ab.

Die Grafen von Ortenburg stammen aus dem alten Grafengeschlechte von Sponheim ab. Als Stammwappen führen die Kärntner Ortenburg eine silberne, mit vertikalen roten Parallelstreifen versehene Spitze, welche den roten Schild in drei Teile teilt. In den zwei sich dadurch bildenden roten Stücken rechts und links ist je ein silberner Flügel. Nach der Deutung des Volkes sind das die Flügel, das silberne rotgestreifte Mittelstück das Kleid des Engels, welcher das Kästchen mit dem kostbaren Spane vom Kreuze Christi nach Sponheim.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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