Vom Wåldmanndl

1. A Stiefmuatar war an Mådl feind und schickt se mitt’n in Wintar in Wåld auße, Roapar (Erdbeeren) zan klaub’n. ’s Diandle geht wanandar furt auße in Wåld. Da kimmt af amål an ungroaßar Månne z’weg’n und frågt se: „Diandle, wo geast hin?“ - „Mei, mei, Roapar soll i klaub’n gean hiaz in Wintar“, sågt ’s Diandle und varzöllt ihm hålt, wås g’scheg’'n war. No, - der Månne haßt se mitgean und füahrt se a bisl eine in Wåld af a Fratt’n. Und da blåst er in Schnea wöck und blåst und blåst hålt, bis kaner mehr durt wår. Da war’s lei roat voar Roapar. Und ’s Diandle nimmt hålt mit, wås es nehmen kånn. Wia se åb’r z’haus kimt und dås dar Stiafmuatar bringt und verzöllt, schickt dö glei ihr ag’ne Toachtar, dö a g’schaftig’s Diandle war, in Wald auße um Roapar. Richti kimt der Månne wider z’wög’n und frågt ’s Diandle: „Diandle, wo geast hin?“ ’s Diandle aber sagg: „Wås brauchst du dås z’wiss'n, i gea di jå nix ån.“ Af dås håt åber ös Mannle se z’riss’n. (Glantal.)

2. Eine ähnliche Sage ist im Rosental verbreitet: Ein armes Mädchen geht mitten im Winter in den Wald, um für seine kranke Mutter Himbeeren zu holen. Da kommt ein berittener Mann daher, ein Hifthorn an der Seite. Als er des Mädchens Wunsch vernimmt, bläst er ins Horn, daß der Schnee nach allen Seiten auseinander fliegt; es wird grün. Da bläst er ein zweites Mal und die Himbeerstauden fangen an zu blühen; und ein drittes Mal, da zeigen sich allenthalben reife Himbeeren. Wie sich das Mädchen bedanken will, ist der Reiter verschwunden und Schnee bedeckt wieder den kaum noch grünenden Platz.

3. Der Wilde Mann lag einmal am Ufer eines Sees und schlief. Er schnarchte so stark, daß der See wildbewegt aufschäumte und die Bäume am Ufer wie im Sturme sich schüttelten. Die Leute auf dem Felde glaubten, ein Gewitter sei im Anzuge und flüchteten sich ins Gebüsch am Seeufer, wo sie zwei große Höhlen bemerkten; sie stiegen hinein, aber es waren die Nasenlöcher des Wilden Mannes. Und als die Leute mit ihren genagelten Schuhen in der Nase des Riesen herumkrabbelten, erhob er sich und nieste so gewaltig, daß die Leute in den See flogen und in der Tiefe ertranken. (Drautal.)

4. Ein alter Hirte, der in der Pfarre St. Georgen im Gailtale das Vieh hütete, verlor einmal ein paar Kälber und war darüber in großer Sorge. Während er sich eben anschickte, in dem ausgedehnten Walde nach den Verlorenen zu suchen, erhob sich ein heftiger Wind; dennoch trat er spät am Abend mit seinem Sohne den Weg zum Walde an. Sie suchten einige Stunden, doch vergebens. Da es schon finster war und heftig regnete, sahen sie sich endlich nach einem Obdach um; sie legten sich unter einen großen Baum und schliefen ein. Noch hatten sie nicht lange geschlafen, so wurden sie plötzlich durch ein unheimliches Tosen und Brausen geweckt. Sie sprangen auf und hörten von fern ein furchtbares, wildes Geheul von kleinen Hunden, das immer näher und näher zu kommen schien. In Furcht und Schrecken beteten sie einige Vaterunser und wagten kaum aufzublicken: es schien, als ob die „Wilde Fåre" über ihren Köpfen vorüberziehe. Bei Tagesanbruch setzten sie ihren Weg fort und fanden zu ihrem größten Erstaunen, daß kein einziger Baum in ihrer Umgebung beschädigt war.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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