Der Jahresabschluß der Berggeister in der Tripphütte

Unweit der früher beschriebenen Alm, jedoch auf der anderen Lehne des Reißecks gelegen, breitet sich die schöne Trippalm aus, wo sich die Berggeister gleichfalls bemerkbar machten. Es war am Heiligen Abend. Der Hirte wohnte in einer schönen, aus Holz gezimmerten Hütte, die außer den anderen Gemächern noch eine geräumige Stube hatte. Heute tat er seine Arbeit besonders flink und nett ab, denn am Christtage wollte er ins Dorf hinuntergehen, um beim Besitzer der Hütte den köstlichen Weihnachtsbraten einzunehmen und allerlei Obliegenheiten zu besorgen. Abends erschien nun der „krumme Reißecker“ mit der Bitte, ihm über Nacht die große Stube zur Verfügung zu stellen. Der Hirte willigte ein, machte seine Arbeit fertig und legte sich ins Bett. - Wirklich erschienen sämtliche zwölf Berggeister und nahmen am großen Tische in der schönen Stube Platz. Nach langem Hin- und Herrechnen wurden sie endlich einig und verließen mit lautem Geschrei die Hütte. - Der Hirte erwachte und eilte an die Arbeit. Doch wie erstaunte er, als er in den Stall kam; das Vieh schrie aus Leibeskräften nach Futter und die Euter der Kühe waren steinhart. In die Stube tretend, wo die Geister abgerechnet hatten, fand er auf dem Tische eine große Summe Geldes. Da versorgte er die Stalltiere für den ganzen Tag mit Futter und eilte talabwärts. Unten erst wurde ihm offenbar, wie die Berggeister ihn betrogen hatten. Denn sie hatten ihn in einen dreitägigen Schlaf versenkt und statt am Christtage stellte er sich erst am Johannistage bei seinem Bauer ein, der darob nicht wenig staunte. Doch grämte sich der Almer nicht, weil er von den Berggeistern so reich beschenkt worden war.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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