Der Schärfenberger und der Zwerg

Meinhard, Graf von Tirol, der auf Befehl des Kaisers Rudolf von Habsburg Steier und Kärnten erobert hatte und zum Herzog von Kärnten ernannt ward, lebte mit dem Grafen Ulrich von Heunburg in Fehde. Zu diesem schlug sich auch Wilhelm von Schärfenberg, treulos und undankbar gegen Meinhard. Hernach in dem Kampfe ward er vermißt, und Konrad von Aufenstein, der für Reinhard gestritten hatte, suchte ihn auf.

Sie fanden aber den Schärfenberger im Sande liegen, von einem Speer durchstochen, und hatte er da sieben Wunden, doch nur eine Pein. Der Aufensteiner fragte ihn, ob er der Herr Wilhelm wäre. „Ja, und seid Ihr's, der Aufensteiner, so stehet hernieder zu mir." Da sprach der Schärfenberger mit krankem Munde: „Nehmt dieses Fingerlein [Ring]; derweil es in Eurer Gewalt ist, zerrinnt Euch Reichtum und weltliche Ehre nimmermehr"; damit reichte er es ihm von der Hand. Indem kam auch Heinrich der Told geritten und hörte, daß es der Schärfenberger war, der dalag. „So ist es der", sprach er, „welcher seine Treue an meinem Herrn gebrochen, das rächt nun Gott an ihm in dieser Stunde." Ein Knecht mußte den Todwunden auf ein Pferd legen, aber er starb darauf. Da machte der Told, daß man ihn wieder herablegte, wo er vorher gelegen war. Danach ward der Schärfenberger beklagt von Männern und Weibern; mit dem Ring aber, den er dem Aufensteiner gegeben, war es auf folgende Weise zugegangen:

Eines Tages sah der Schärfenberger von der Burg auf dem Feld eine seltsame Augenweide. Auf vier langen vergoldeten Stangen trugen vier Zwerge einen Himmel von klarem und edlem Tuche. Darunter ritt ein Zwerg, eine goldene Krone auf dem Häuptlein und in allen Gebärden als ein König. Sattel und Zaum des Pferdes waren mit Gold beschlagen, Edelsteine lagen darin, und so war auch alles Gewand beschaffen. Der Schärfenberger stand und sah es an, endlich ritt er hin und nahm seinen Hut ab. Der Zwerg gab ihm guten Morgen und sprach: „Wilhelm, Gott grüß Euch!" - „Woher kennt Ihr mich?" antwortete der Schärfenberger. - „Laß dir nicht leid sein", sprach der Zwerg, „daß du mir bekannt bist und ich deinen Namen nenne; ich suche deine Mannheit und deine Treue, von der mir viel gesagt ist. Ein gewaltiger König ist mein Genosse um ein großes Land, darum führen wir Krieg, und er will mir's mit List angewinnen. Über sechs Wochen ist ein Kampf zwischen uns gesprochen, mein Feind aber ist mir zu groß, da haben alle meine Freunde mir geraten, dich zu gewinnen. Willst du dich des Kampfes unterwinden, so will ich dich also stark machen, daß, ob er einen Riesen brächte, dir's doch gelingen soll. Wisse, guter Held, ich bewahre dich mit einem Gürtel, der dir zwanzig Männer Starke gibt." Der Schärfenberger antwortete: „Weil du mir so wohl traust und auf meine Mannheit dich verlaßt, so will ich zu deinem Dienste sein, wie es auch mit mir gehen wird, es soll alles gewagt werden." Der Zwerg sprach: „Fürchte dich nicht, Herr Wilhelm, als wäre ich ungeheuer, nein, mir wohnt christlicher Glaube an die Dreifaltigkeit bei und daß Gott von einer Jungfrau menschlich geboren wurde." Darüber ward der Schärfenberger froh und versprach, wo nicht Tod oder Krankheit ihn abhalte, daß er zu rechter Stunde kommen wollte. „So kommt mit Roß, Rüstung und einem Knaben an diese Stätte hier, sagt aber niemandem etwas davon, auch Eurem Weibe nicht, sonst ist das Ding verloren." Da beschwur der Schärfenberger alles. „Sieh hin", sprach nun das Gezwerg, „dies Fingerlein soll unserer Rede Zeuge sein; du sollst es mit Freuden besitzen, denn lebst du tausend Jahre, solang du es hast, zerrinnt dir dein Gut nimmermehr. Darum sei hohen Mutes und halte deine Treue an mir." Damit ging es über die Heide, und der Schärfenberger sah ihm nach, bis es in den Berg verschwand.

Als er nach Hause kam, war das Essen bereit, und jedermann fragte, wo er gewesen wäre, er aber sagte nichts, doch konnte er von Stund an sich nicht mehr so fröhlich gebaren wie sonst. Er ließ sein Roß besorgen, sein Panzerhemd bessern, schickte nach dem Beichtiger, tat heimlich lautere Beichte und nahm danach mit Andacht des Herrn Leib. Die Frau suchte von dem Beichtiger die Wahrheit an den Sachen zu erfahren, aber der wies sie ernstlich ab. Da beschickte sie vier ihrer besten Freunde, die führten den Priester in eine Kammer, setzten ihm das Messer an den Hals und drohten ihm auf den Tod, bis er sagte, was er gehört hatte.

Als die Frau es nun erfahren, ließ sie die nächsten Freunde des Schärfenbergers kommen, die mußten ihn heimlich nehmen und um seinen Vorsatz fragen. Als er aber nichts entdecken wollte, sagten sie ihm vor den Mund, daß sie alles wüßten, und als er es an ihren Reden sah, da bekannte er allererst die Wahrheit. Nun begannen sie seinen Vorsatz zu schwächen und baten ihn höchlich, daß er von der Fahrt ablasse. Er aber wollte seine Treue nicht brechen und sprach, wo er das tue, nehme es fürder an allem Gut ab. Sein Weib aber tröstete ihn und ließ nicht nach, bis sie ihn mit großer Bitte überredete, dazubleiben; doch war er unfroh.

Darauf über ein halbes Jahr ritt er eines Tages zu seiner Feste Landstrotz hinter den Seinigen zu allerletzt. Da kam der Zwerg neben zu ihm und sprach: „Wer Eure Mannheit rühmt, der hat gelogen! Wie habt Ihr mich hintergangen und verraten! Ihr habt an mir verdient Gottes und guter Weiber Haß. Auch sollt Ihr wissen, daß Ihr in Zukunft sieglos seid, und wäre das gute Ringlein nicht, das ich Euch leider gegeben habe, Ihr müßtet mit Weib und Kind in Armut leben." Da griff der Zwerg ihm an die Hand und wollt's ihm abzucken, aber der Schärfenberger zog die Hand zurück und steckte sie in die Brust; dann ritt er vor ihm über das Feld fort. Die vor ihm waren, die hatten alle nichts gesehen.

Unter Verwünschungen verließ ihn der Zwerg und ritt spornstreichs feldeinwärts und verschwand, noch einmal dräuend, mit stolzer Gebärde. Des Zwerges Versicherung, der Ring mache unbesiegbar, machte den Schärfenberger verwegen. Sein Irrwahn war seines Treubruches Strafe. Treulos gegen seinen Herrn und Wohltäter Meinhard, der ihn wie sein Kind geliebt, bot er Ulrich von Heunburg die Hand zum Bunde. In der Schlacht am Wallersberge traf ihn der Todesstreich.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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