Das verwunschene Schloß auf der Saualpe

Auf der Saualpe soll man einst auf Gold, Silber und Edelsteine gebaut haben. Vom großen Sauofen bis zur großen Sau erstreckte sich die Ansiedlung der Bergleute. Am Sauofen aber stand das Schloß der Bergherren. Durch die große Ergiebigkeit dieses Bergwerkes wurden sie reich und übermütig, und wie Reichtum und Übermut immer zum Verderben führen, so war es auch bei diesen Leuten der Fall. So geschah es, daß am Bartholomäustage sich die Knappen anstatt zum Gebete zu Tanz und Zechgelagen versammelten. Als dann die Glocken den Anfang der Messe verkündeten, stürmten sie betrunken und schreiend in das Gotteshaus, rissen die Marienstatue vom Altare, stellten diese im Freien auf und trieben Hohn und Spott mit dem Heiligtume. Sie gingen dann in Prozession an ihr vorüber und spien sie an. Nicht lange aber konnten sich die Leute ihrer Freveltat freuen, auf einmal erscholl ein donnerndes Getöse und die Kirche sank vor ihren Augen in die Tiefe. An ihre Stelle trat nun ein weiter, tiefer Sumpf. Auch der Erzreichtum der Alpe war verschwunden und nur taubes Gestein traf jetzt der Hammer des Bergmannes, und die ehemals so reichen Leute versanken in Armut. Die Mutter Gottes hatte sich nach Maria-Saal geflüchtet. Seit dieser Zeit müssen aber die Bauern, um eine gute Ernte zu erzielen, jährlich zu einer Marienkirche wallfahrten gehen. Dies unterließen einst die Diexer, dafür folgte aber ein Mißjahr und eine schreckliche Maikäferplage. Als vor einigen Jahren die Grasfläche der Saualpe abgemäht wurde, stieß ein Mäher auf etwas Hartes, an dem die Sense absprang; man sagte, es war die Kirchturmspitze der versunkenen Kirche. Der große Sauofen aber ist das verwunschene Schloß der Bergherren, in dem seit alter Zeit ungeheure Schätze verborgen sind und nur alle hundert Jahre einmal einem Glücklichen sichtbar werden. Man erzählt auch, daß es einem Halter geträumt habe, daß unter einer ihm bekannten Kranabetstaude eine Steinplatte liege, unter der der Schlüssel zum verwunschenen Schlosse verborgen sei. Als er am nächsten Morgen mit seinem Vieh in diese Gegend kam, fand er wirklich einen großen altertümlichen Schlüssel. Er trieb nun eilends seine Ochsen dem geheimnisvollen Felsen zu. Doch anstatt der grauen Felswände erblickte er jetzt ein prachtvolles Schloß mit einem mächtigen Tore, in dessen Schlüsselloch der alte Schlüssel genau paßte. Schon wollte er den Schlüssel umdrehen, als auf einmal sein ganzes Vieh wie erschreckt nach allen Seiten davonstürmte. Da mußte er sofort seinen Tieren nacheilen. Als er sie nach geraumer Zeit wieder mühsam zusammengebracht und beruhigt hatte, war weder Schloß noch Tor mehr zu finden. Obwohl er öfters darauf aus war, hat er doch nie wieder das verwunschene Schloß erblickt; erst in hundert Jahren wird es wieder auf einen Tag sichtbar.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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