Die Rosaliengrotte

Auf dem Rosalienberge, einer Vorlagerung der Karawanken bei Globasnitz, erhebt sich eine Kirche, die der heiligen Rosalia geweiht ist und dem Berge seinen Namen gegeben hat. Unweit des Gotteshauses weist der Berg starke Zerklüftungen auf, die sich an einer Stelle zu einer Art Grotte vertiefen, welche jedoch vollständig offen ist. Blickt man vom Grunde der Grotte zur Höhe, so zeigt sich an der Decke eine kreisrunde Öffnung von einem Meter im Durchmesser. Daran knüpft sich folgende Sage: Ein schönes Mädchen aus einer der umliegenden Ortschaften begegnete auf einem nächtlichen Gange einem Burschen, der es schon längere Zeit mit seinen Anträgen verfolgte. Es begann nun, um sich vor seinen Nachstellungen zu sichern, eilends zu laufen und flüchtete in Todesangst auf den nahen Rosalienberg. Aber knapp hinter ihr kam der Bursche nach und konnte sie schon im nächsten Augenblicke einholen. Da gewahrte sie zufällig jene Vertiefung und stürzte sich, um dem Gefürchteten zu entgehen, mit einem frommen Gebete in den Abgrund. Da geschah ein Wunder, das sie vom Tode rettete, indem die heilige Rosalia selbst sie in der Grotte auffing und sachte zu Boden setzte. Dadurch hatte das Mädchen einen solchen Vorsprung vor dem Verfolger gewonnen, daß es unbehelligt nach Hause gelangte. Um diese Begebenheit in der Erinnerung festzuhalten, wurde in der Grotte ein Altar errichtet, auf welchem die Wallfahrer Blumensträuße und frische Kränze zum Opfer bringen. Noch heute sagen die Leute, daß jede wahre Jungfrau, die denselben Sprung wage, von der heiligen Rosalia aufgefangen und beschützt werde. Alljährlich pilgern an bestimmten Sonntagen des Jahres diele Gläubige aus der nächsten und weiteren Umgebung zur Grotte, waschen dort ihre kranken Augen mit dem heilenden Wasfer, welches unter dem Altar entspringt, und begeben sich hierauf zur Kirche.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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