Der Ring des Schärfenbergers

Einst lustwandelte, mit Geschoß dem Wilde nachzujagen, Wilhelm in dem nahen Forst seiner Burg. Ermüdet sank er an der Quelle nieder, die hellglänzend wie Gold dort floß und dem schimmernden Hügel den Namen „Goldbergchen" gab. Süßer Schlummer wiegte ihn in das Reich der Träume hinüber. Da erschien ihm eine überirdisch schöne Waldfrau, welche sich zum Schütze seinen Arm erbat und ihm zum Danke einen goldenen Ring mit den Worten reichte, daß dessen Besitz ihm reiches Gut, Glück und langes Leben bringen werde. Er erwachte, nicht wissend, war's Täuschung nur oder Wahrheit, doch das Kleinod stak an seinem Finger, und von dieser Zeit angefangen mehrte sich zusehends sein Glück. Ruhe hingegen brachte ihm das Geschenk nicht; immer zog's ihn fort, seine wunderbare Kraft zu erproben.

In solcher Stimmung traf ihn der Abgesandte des Grafen Ulrich von Heunburg, der auf Schloß Griffen dem Kärntner Herzoge trotzte, und es war ein Leichtes, Wilhelm zu gewinnen, trotz der Bitten seiner Gattin und seiner Freunde.

Auf einem Felde unter dem Wallersberge, groß genug zum Kampfe, stießen die feindlichen Scharen aufeinander. Ein heißer Kampf erglühte um Leben und um Ehre. Auch Schärfenberg befand sich unter den Opfern. Sieben Wunden deckten seinen Leib; ein Bein war ihm zerschmettert und ein Speer stak in seinem Leibe. Mit kaum vernehmbarer Stimme sprach er zu Auffenstein: „Nehmt hin, Freund, den Ring. Solange er Euer ist, besitzet Ihr, auf meine Treue, Reichtum und Ehre." Auf einer Bahre brachte man später den Entseelten nach Krain auf die Burg seiner Väter. Wilhelms Nachkommen blühen auch ohne Ring noch fort in der schönen Steiermark.

An Konrad von Auffenstein aber bewährte sich vorerst des geheimnisvollen Ringes Kraft. Das Volk begriff nicht, woher er soviel nahm, um immer Schlösser zu bauen und doch noch reich zu sein. Es gingen daher sonderbare Sagen um von der Wirkung des Kleinodes, von dem Bunde, den er mit dem märchenhaften Totenritter geschlossen. Ring und Reichtum erbten sich auf seine Nachkommen fort, nicht aber seine Treue.

Konrads Enkel Friedrich glich seinem Ahnherrn nicht. Das Glück, welches seinem Geschlechte stets gelächelt, machte ihn übermütig, er stand auf gegen seinen Lehensherrn, den Herzog Leopold. Es kam zum Kampfe und sieh', der Sieg neigte sich auf die Seite des Verräters; die Kraft des Ringes schien gebrochen.

Da erschien plötzlich eine hohe, ernste Frau, von einer Schar Knappen begleitet, unter Herzog Leopolds Mannen und ritt auf den Auffensteiner los. Wie Spreu vor dem Sturm so zerstoben vor den Fremden die Leute Friedrichs; jetzt drang sie auf ihn selber ein. Schwer verwundet sank er, die ernste Frau aber neigte sich zu ihm, nahm von dem Finger des Sterbenden den Zauberring, winkte ihrem Troß und verschwand. So endigte eines der mächtigsten Rittergeschlechter, und man gedenkt dabei unwillkürlich der Mahnung, welche der Zwerg Wilhelm von Schärfenberg bei Übergabe des Zauberringes erteilt hatte.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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