Der Pfarrer von Latschach

Im 17. Jahrhundert erzählten sich die Bewohner eines Dörfchens in unmittelbarer Nähe des Faakersees, daß der Mittagskogel Gold berge. Es gab daher viele Leute, die es zu gewinnen trachteten und bald da, bald dort Grabungen anstellten, aber immer vergebens. Auf dem Berge, wo heute die Bertahütte steht, dehnten sich schöne Almen aus und auf den saftiggrünen Wiesen weideten die wohlgenährten Herden der Talbewohner. Grund und Vieh gehörte drei Bauern aus dem Orte, mit Namen Irschnig, Hojer und Koblar. Bei dem ersten stand eine Sennerin im Dienste, welche drei Dukaten besaß. In der damaligen Zeit war das für einen Dienstboten eine große Summe und deshalb war sie auch das Gespräch sämtlicher Dörfler. Ihr Dienstgeber drang so lange in sie, bis sie endlich sagte, woher das Geld stammte. Das Mädchen erzählte nun, daß schon dreimal ein fremder Mann aus Italien auf die Alm gekommen sei und oben übernachtet habe. Für die gebotene Milch und sein Nachtlager habe er ihr jedesmal einen Dukaten überreicht, frühmorgens die Hütte verlassen und sei abends, reich mit Gold beladen, in seine Heimat zurückgekehrt.

Irschnig erzählte dies dem Ortspfarrer, und beide rieten nun der Sennerin, vor dem bestimmten Tage einen Scheiterhaufen zu errichten und diesen beim Erscheinen des Fremden anzuzünden. Nach einiger Zeit brannte wirklich hoch oben am Mittagskogel ein Holzstoß. Der Pfarrer und der Bauer sahen das verabredete Zeichen, nahmen jeder ein Gewehr und eilten auf die Alm, wo sie den Fremden fanden. Alsogleich drohten sie ihn zu erschießen, wenn er ihnen nicht gutwillig die Hälfte des Schatzes abtrete. Mit saurem Gesichte ging der Goldgräber auf diesen Vertrag ein und konnte es tun, da ja für alle Gold genug vorhanden war. Die zwei nahmen ihn in ihre Mitte und ließen sich von ihm zur Fundstelle führen, wo sie so viel Erz nahmen, als jeder zu schleppen vermochte.

Als der Welsche eines Jahres nicht erschien, erhielt Irschnig den Auftrag, den auf den Entdecker entfallenden Anteil nach Görz in seine Wohnung zu bringen. Er tat dies und fand ihn wirklich in einem vornehmen Hause auf. Da er nun in einem Zimmer dem Welschen allein gegenüberstand, zog dieser plötzlich eine Pistole aus der Tasche hervor und sagte höhnisch: „So, jetzt will ich dir's heimzahlen! Bringst du mir nicht jährlich meinen Anteil her, so bist du augenblicklich des Todes." Willig oder nicht mußte der Kärntner sich fügen, denn das Leben war ihm lieb. Von nun an erhielt der Italiener jedes Jahr eine Menge Goldes aus Kärnten zugeschickt und brauchte selbst nicht mehr den weiten Weg zurückzulegen.

Der Pfarrer - Latschacher war sein Name - ließ das Gold zu Münzen prägen und erbaute an Stelle der kleinen hölzernen Kapelle des Dorfes eine schöne Kirche, die Schule und das Pfarrhaus. Aber einige Neider verklagten ihn heimlich bei Gericht, daß er auf unehrliche Art reich geworden sei. Da er das Geheimnis nicht verraten wollte, wurde er zum Tode verurteilt, und zwar sollte er lebendig eingemauert werden. Heiß und inbrünstig flehte er zu Gott, daß er ihn diese Schmach nicht erleben und lieber eines natürlichen Todes sterben lasse. Aber der Tag der Hinrichtung kam immer näher, und so sprach er denn einmal zu seinen Pfarrinsassen: „Ihr wißt, wozu ich das Geld verwendet habe. Sind es nicht gute Taten, die ich vollbracht, so soll mein Körper verwesen wie jeder andere. Ist das Geld aber zu gutem Zwecke angewendet, so werde ich selbst nach hundert Jahren nicht verwesen."

Sein Gebet fand Erhörung, denn er fiel eines Tages, noch ehe die Zeit abgelaufen war, am Altare tot zu Boden. Der Bauer, welcher jetzt allein um das Geheimnis wußte, sank bald darauf im Gasthause Worouz in Oberferlach beim „Kegelscheiben" entseelt zur Erde, und niemand weiß zu sagen, wo jener unerschöpfliche Goldschatz verborgen ist. Der Leichnam des Pfarrers wurde im Mttelschiff der von ihm erbauten Ortskirche beigesetzt.

Noch jetzt zeigt man im Mesnerhaufe den Schmelzofen sowie die Pressen, worin das Gold geprägt wurde. Im Jahre 1870 wurde die Gruft zum zweiten Male geöffnet, und noch immer war der Leichnam unverwest. Das Volk sagt, wenn der Sarg im Jahre 1970 geöffnet werde und der Leichnam noch immer nicht in Verwesung übergegangen sei, werde Latschacher vom Papste heiliggesprochen werden.

Längst schon hat das Dorf einen andern Namen. Aus Dankbarkeit für den Gründer der Kirche nannte man es Latschach. Noch heute spricht man davon, daß der Besitzer des Irschnighofes ein Nachkomme des „Goldbauers" sei.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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