Måhdersagen

Für den Måhder (Mäher oder Schnitter) ist es ungemein wichtig, daß seine Sense oder Sichel gut schneidet, denn Tage und Wochen vergehen, während welcher Zeit dies Gerät sein einziger Gefährte ist. Hat sein „Zoig“ einmal keine ordentliche „Schneid“ mehr, so wird er mißmutig, die Arbeit will nicht mehr vonstatten gehen. Will er daher, daß sein „Zoig“ immerfort schneide wie Gift, so muß er an einem bestimmten Tag zur Geisterstunde einen neubegrabenen Toten ausscharren, ihm die Pfeid (das Hemd) abziehen, diese selbst und seine dem Toten anlegen. Da dies mit Lebensgefahr verbunden ist, ward das rechte Måhderglück erst wenigen zuteil.

Einen Knecht verfolgte das Mißgeschick fort und fort, nie hatte seine Sense eine rechte „Schneid“. Beim Mähen setzten ihm seine Kameraden mit ihren schärferen Sensen hart nach, so daß er sich zu Tod abmühen mußte, um nicht eingeholt zu werden. Da ging der Arme zu einem Schmied im Walde und bat ihn um Abhilfe. Dieser gab ihm eine Sense mit den Worten: „Nimm sie und ,tångle’ sie so gut, wie du’s imstande bist; nachher versuch’s und mäh’ den Tånglstock ab. Gelingt es dir, so hast du eine Sense wie keine weit und breit. Aber wohlgemerkt! Quäle nicht die übrigen Mähder durch allzu große Hast. Wenn die Sense abgenützt ist und du einer anderen bedarfst, komm wieder; ich werde dann sehen, ob du mir gefolgt hast.“ Der Knecht dankte und ging.

Nach Jahren war die Sense bis auf den Rand abgenützt und der Knecht wanderte wieder nach der Waldschmiede, um eine neue zu erhalten. „Ich will sehen“, sprach der Alte, „was du getan“, und hieb mit der Spitze dreimal gegen den Amboß. Bei jedem Schlage schrumpfte die Sense zusammen und jedesmal troff Blut aus dem Stahl. „Du hast meinen Rat nicht befolgt“, sprach er, „du hast deine Kameraden hartgemäht. Schau her auf die Blutstropfen!“ Der Knecht mußte unverrichteter Dinge von dannen ziehen und, solange er Mäher war, sich mit einer schlecht schneidenden Sense plagen.

Auf einer Waldwiese, dem Enzan-Boden, soll einst ein Schloß gestanden haben, das von Riesen bewohnt war. Der Enzibauer von Weißbriach war ein schlechter Mäher, weshalb er seine Wiese in der Nacht bei Mondschein mähte, weil das Gras, wenn es feucht ist, sich leichter mähen läßt. Plötzlich stand ein Riese vor ihm und donnerte ihn mit den Worten an: „Was machst du da? Der Tag gehört euch, doch die Nacht gehört uns!“ Als ihm hierauf der Bauer sein Leid klagte, griff der Riese nach der Sense und schärfte sie. Damit fertig, gab er sie dem Bauer zurück und sagte: „Mähe nie mehr in der Nacht und schärfe die Sense nie wieder!“ und verschwand. Der Bauer befolgte seine Worte und war von dieser Stunde an der beste Mäher des Dorfes.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
© digitaler Reprint: www.SAGEN.at