Der Schatz von Kaltenbrunn

Am linken Ufer des Weißenbaches erhebt sich zwischen den Dörfern Nikelsdorf und Feistritz an der Drau beim sogenannten Kalten Brunn ein jetzt bewaldeter Hügel. Auf diesem thronte einst eine feste Burg, von der noch vor wenigen Jahren Spuren vorhanden waren. Ein Halterbub sah einst beim Weiden der Schafe auf der Anhöhe beim Kalten Brunn eine eiserne Truhe, auf der ein Pudel saß. Der Hund war auf und auf schwarz und trug einen Schlüsselbund in der Schnauze. Da der Hirte von alten Leuten gehört hatte, daß der, welcher den Kaltenbrunner Schatz heben wolle, in dem Augenblicke, als er Pudel und Kiste erblicke, einen Gegenstand hinlegen müsse, tat er dies und griff nun, ohne daß es ihm der Pudel wehrte, nach dem Schlüsselbunde. Er öffnete die Kiste, nahm Geld heraus, soviel seine Taschen fassen mochten, und enteilte.

Dies tat er in der Folge noch oft. Bald aber fiel es seinem Dienstgeber auf, daß der sonst arme Knabe auf einmal viel Geld besaß. Darüber zur Rede gestellt, erzählte er dem Bauer von der Kiste und dem Pudel. Um die Sache selbst zu untersuchen, begab sich dieser an die Stelle und wollte sich der Kiste nähern, doch der Hund setzte sich zur Wehre und ließ ihn nicht näherkommen.

Nun zeigte er die Sache beim Pflegamte an, und bald brachten einige Knechte die Kiste samt dem Pudel, der davon nicht weichen wollte, in das Pflegamt. Auch hier rührte sich der Pudel nicht von feinem Platze, und so zog der Pfleger, der wissen wollte, was darin verborgen sei, einen Stiefel aus und warf ihn nach dem Hunde. Dieser erfaßte den Stiefel und verschwand damit spurlos. Der Fuß des Pflegers aber ging in Fäulnis über. Schade, daß die Sage nicht auch weiter berichtet, ob die Kiste geöffnet werden konnte und was ihr Inhalt war.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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