Die gute Mutter

Im unteren Rosentale geht die Sage von einer Mutter, die ihr böswilliges Töchterchen so lieb hatte, daß sie es nicht übers Herz brachte, es zu strafen. Als das Kind jedoch plötzlich starb und begraben wurde, streckte es stets die eine Hand aus dem Grabe hervor, was der ohnehin trostlosen Mutter Kümmernis erhöhte. Was nun tun? Sie ging zum Pfarrer und klagte ihm ihr Leid. Dieser gab ihr den Bescheid, drei Haselruten zu schneiden und damit der Reihe nach so lange die Hand des toten Mädchens zu schlagen, bis alle drei verbraucht wären.

Die Mutter befolgte seinen Rat, und wirklich zog das Mädchen seine Hand ins Grab zurück, als die dritte Rute bis zur Hälfte abgeschlagen war; denn seine Fehler waren jetzt gesühnt, seine Seele gerettet und es konnte nun in den Himmel eingehen. Hätte die Mutter ihr Kind bei Lebenszeit mehr im Zaume gehalten, so wäre ihr dies herzbrechende Werk erspart geblieben.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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