Die geizigen Berggeister

Ein Edelmann kam einst auf einem Schimmel zur Stangalm geritten, wo viele Goldsucher das Freimannsloch zu finden hofften. Auf der Höhe fand er einen Schafhirten und bot ihm vier Goldgulden oder die Hälfte des Schatzes, den er zu finden hoffte, wenn ihm der Halter jene Felswand zeige, worunter der Schatz lag. Der biedere Halter tat's um die vier Goldgulden, denn diese waren ihm lieber als die Hälfte des Schatzes, der erst gewonnen sein wollte. Nun standen beide vor einem Felskegel. Der Reiter machte einen Kreis, stellte sich mitten hinein und beschied den Halter zu sich. Dann begann er die geheimnisvolle Beschwörung. Es dauerte nicht lange, da fing es an zu wettern, daß dem Halter fast die Sinne vergingen. Felsblöcke lösten sich in der Höhe und donnerten zur Tiefe nieder, aber der Kreis blieb unberührt. Fest hielt der Ritter stand, nur der Hirte bangte um sein Leben. Endlich ließ das Getöse nach und auf einmal hob sich ein Männlein aus dem Felsen und fragte nach dem Begehr. „Sechzigtausend Goldgulden will ich haben“, rief der Reiter mit barscher Stimme. „Nur sechzigtausend?“ entgegnete das Männlein; „du kannst ja viel mehr haben, es ist ja genug vorhanden. Hundertzwanzigtausend verschaff' ich dir! Wagst du's? Ist's dir nicht lieber? Nicht?!“ „Sechzigtausend will ich haben“, schrie der Edelmann noch barscher, „um nichts mehr und um nichts weniger!“ Zögernd verschwand das Bergmännlein und gleich darauf schüttete es das Geld heraus. Dann begann es noch fürchterlicher zu toben denn anfangs; doch als das Unwetter vorüber war, der Himmel sich klarte und Sonnenschein zwischen den windgejagten Wolken hervorkam, sprach der Reiter zum Almhalter: „Bue, hättest du die Hälfte des Schatzes verlangt, leicht wäre sie dein eigen geworden. Die da drinnen haben immer genug, nur hergeben wollen sie nichts. Soviel ich verlang', soviel bekomm' ich, wenn ich nicht abgehe von meiner Forderung; sobald ich aber um Geringes mehr verlange, ist's aus und ich hab' nichts. Schau, ich hätt' halt Hundertzwanzigtausend Goldgulden begehrt, hätt' sie auch bekommen und die Hälfte war' dein gewesen.“ Damit verabschiedete sich der Edelmann vom verblüfften Halter und ritt wieder fort.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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