Der feurige Alp

Quatemberzeiten sind im Volk gar heilige Zeiten und stets der ernsten, beschaulichen Betrachtung gewidmet. Da erklingt keine Saite, kein fröhliches „Plepperliadle“ erschallt, kein Pärchen dreht sich im Tanze, diese Tage sind still und einförmig, nur dem Fasten, Beten und Almosengeben geweiht. Da begab es sich einmal, daß trotz der Heiligkeit eines solchen Tages zwei Bauernburschen aus dem Pressinggraben (Lavanttal) im Wirtshause zu St. Gertraud ein lustiges Treiben begannen, sangen und lärmten und trotz der Einwendungen des besorgten Wirtes, dem sie kein Gehör gaben, ihr tolles Treiben bis spät nach dem Abendläuten fortsetzten.

Als sie der Wirt endlich aus der Stube wies, zogen sie schimpfend und fluchend ab und beschlossen, unterwegs auch noch ihre „Diandlan“ zu besuchen. Sie mochten schon eine Strecke Wegs zurückgelegt haben, als sie plötzlich bemerkten, daß neben ihnen eine feurige Kugel daherrollte. Voll Schrecken gewahrten sie diese Erscheinung, gingen aber dennoch ihres Weges fort. Da ergab es sich, daß sie ihr Weg über einen Bach führte, wo ein schmaler hölzerner Steg den Übergang herstellte. Doch als sie eben dort ankamen, rollte sich der Feuerklumpen vor und dehnte sich über die ganze Länge des Stegs, so daß dieser wie mit glühenden Kohlen übersät schien. Jörgl, so hieß der eine Bursche, erkannte nun in dieser Erscheinung den aus vielen Erzählungen bekannten „Alp“. Sie wußten sich augenblicks nicht zu raten noch zu helfen und standen lange unschlüssig an der Stelle. Da fiel dem Jörgl das Sprüchlein ein, mit dem man den Alp, der Funken von sich sprühte, vertreiben kann, und rief mit zitternder Stimme:

„Geah durthin, Ǻlp, du beaser Geist,
Wo du bist selben g’wös’n,
Wia in der Christnåcht, Jesas z’ Ehr’
Die Mess’ is wur’n g’lös’n.“

Kaum hatte er ausgesprochen, so erhob sich der „Feuerschap“, einer glühenden Rute vergleichbar, und zog mit Gebraus durch die Luft, ließ sich dann auf einem entfernten Felsblock nieder und fing sich „z’lausn“ an, „daß glei die Glan (Funken) umadum g’flog’n sein“. Die Burschen gingen über den Steg, jedoch nicht zu ihren Liebsten, sondern nach Hause und erkannten dies als Strafe für die Entheiligung des Quatembertages.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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