Das Geschenk der Zigeunerin

In Pamhagen saß einst eine frohe Taufgesellschaft beieinander und feierte die Namensgebung des jüngsten Töchterleins vom dortigen Schneider.

Als der stolze Kindesvater eben sein Glas hob und dem ersten Gemeinderat dankbar für seine Gevatterschaft zutrinken wollte, ging die Türe auf, und herein kam eine schöne Zigeunerin.

Der Schneider hatte ihr einmal aus Mitleid um einen Gotteslohn einen Kittel genäht; dafür wollte sie sich nun erkenntlich zeigen.

Still schob die feurige Schöne verschämt ein kleinwinziges Päckchen unter den Steckpolster und murmelte allerlei fremdartige Heilsprüche in ihrer Zigeunersprache dazu.

Man reichte ihr ein Glas Wein und ein Stück vom Taufkuchen, dann ging sie wieder, nicht ohne vorher der glücklichen Mutter bedeutsam zuzuflüstern:

"Es wird ihr viel Glück bringen, der Kleinen!"

Als man dann neugierig das Päckchen öffnete, fand sich nichts anderes darin als drei ganz gewöhnliche Sauzähne.

Der Schneider, den das schadenfrohe Gelächter seiner Gäste verdroß, wollte erbost die drei Zähne beim Fenster hinauswerfen.

Aber seine Frau konnte das eindringliche Geschau der schwarzen Schönen nicht aus dem Sinn bringen, und so hielt sie den verärgerten Mann zurück und nahm ihm die sonderbare Gabe ab.

Einen Zahn nähte sie als Glücksbringer in den Steckpolster, einen in den Saum ihres Taufkleides und den dritten goß sie mit Wachs in die Öffnung des alten Messingleuchters ein.

Das tat die Frau halb spielerisch, halb abergläubisch, ohne sich recht dessen bewußt zu sein, was sie eigentlich damit bezwecken wollte.

Das Glück schien aber der Schneiderfamilie nicht hold zu sein. Wenige Jahre später starb der Vater, und bald darauf erblindete die Mutter vom vielen Weinen. Bittere Armut zog im Schneiderhause ein und blieb hartnäckig dort hausen.

Die Kleine wuchs im Laufe der Jahre zu einer hübschen Jungfrau heran, und als ihre Mutter starb, freite ein armes Knechtl um sie.

Da sie keine Mittel für ein Hochzeitskleid besaß, richtete sie sich ihr brüchig gewordenes einstiges Taufkleid zurecht und - siehe da - fand im Saum den eingenähten Sauzahn.

Es war jedoch kein gewöhnlicher Zahn mehr, sondern mindestens fünfmal so groß und überdies aus purem Gold.

Nun hatte die drückendste Not ein Ende. Dankbar wurde der Zigeunerin gedacht und natürlich überall nach den restlichen beiden Zähnen gesucht, doch sie blieben unauffindbar.

Erst als das erste Kindlein kam und der alte Steckpolster hervorgesucht wurde, fand sich der zweite Sauzahn. Er wurde mit dankbarem Jubel begrüßt und sogleich nach Neusiedl am See gebracht, wo ihn der Goldschmied gut bezahlte, denn auch dieser Zahn war aus Gold.

Von da an ging es ständig bergauf mit der jungen Familie. Eine Ziege stand im Ställchen, viele Hühner scharrten draußen auf dem Hof, und alle Arbeit gedieh, daß es eine wahre Freude war.

Nur eines fehlte noch: ein eigenes Häuschen, eine eigene Hütte, und wäre sie noch so klein gewesen.

Und auch dieser Herzenswunsch fand Erfüllung.

Das Kind des jungen Paares, das inzwischen ungefähr drei Jahre alt geworden war, spielte einmal draußen im Hof mit dem alten grünspanigen Messingleuchter. Dabei fand es im eingegossenen Wachsrest den dritten Zahn; er war sichtlich aus rotem Gold, das konnte man deutlich erkennen.

Doch trotz aller Bemühungen konnte ihn niemand aus der Öffnung bringen, er steckte wie eingeschmolzen darin.

Schließlich blieb nichts anderes übrig, als den ganzen Leuchter zum Goldschmied zu tragen, damit der den kostbaren Sauzahn sachgemäß entferne.

Wer aber beschreibt das Erstaunen und das Glück der Überbringer, als ihnen der kundige Goldschmied die Eröffnung machte, daß der ganze Leuchter aus schwerem Golde gefertigt sei.

Nun war natürlich das ersehnte Haus gesichert und viele Felder und ein schönes Stück Garten obendrein.

Der Segensspruch der Zigeunerin hatte sich zur richtigen Stunde erfüllt.

Seit dieser Zeit werden Sauzähne in Pamhagen sorgfältig aufbewahrt und wohl beachtet; es könnte ja sein, daß sich das Wunder noch einmal wiederholt, obwohl bisher kein solcher Fall bekanntgeworden ist.


Quelle: Die goldenen Lerchen. Geschichten und Sagen aus Oberösterreich, Niederösterreich und dem Burgenland, Hiess, Linz 1949, S. 226ff, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 208ff.