Wasser wird zu Wein

In Frauenkirchen war es einst üblich, daß am Heiligen Abend nach dem Gebetläuten keine häuslichen Arbeiten mehr verrichtet wurden.

Einmal geschah es, daß eine Frau um Mitternacht zum Brunnen Wasser schöpfen ging. Als sie in der Stube davon trank, gewahrte sie zu ihrer großen Überraschung, daß das Wasser sich in Wein verwandelt hatte.
Rasch füllte sie alle Kübel und Eimer, die sie besaß, am Brunnen voll und freute sich darüber, auf so billige und leichte Weise zu einem guten Wein zu kommen.

Gleich am folgenden Tag erzählte sie den Nachbarn von dem "Wunderwein", und ließ allen, die davon trinken wollten, eine Kostprobe nehmen. Eine der Nachbarinnen wurde von Neid gepackt, denn sie hätte auch gern einen solchen Wein gehabt, der nichts kostete. Sie beschloß, in der nächsten Weihnachtsnacht ebenfalls zum Brunnen zu gehen und Wasser zu schöpfen. Sie besorgte sich heimlich viele Kübel und Eimer und füllte sie alle voll. Als sie dann in der Stube den Wein kosten wollte, bemerkte sie voll Ekel, daß alle Kübel statt Wein Jauche enthielten.

Das war die Strafe für ihre Habgier.


Quelle: Burgenland - Sagen und Legenden, Friedrich Schattauer, Waidhofen, 1980, S. 176f, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 202.