Die unheimliche Begegnung

Als ich noch so ein kleines Mädel war, war ich in Oberschützen. Und gerade um zwölf ist die Frau krank geworden. So mußte ich um den Arzt gehen.

Also, dort hat man immer gesagt, daß, dort waren nämlich zwei Frauen, sie waren aber schon älter, daß auch sie so Hexen sind. Ich hab' aber an nichts Schlechtes gedacht.

Nun geh ich. Und wie ich so geh, seh ich, daß zwei Pferde vor mir stehn. Vorher hab ich nichts gesehen. Nichts. Als ich hinaufgehen will, stehen vor ihrem Haus, eins rechts, eins links, zwei Pferde, und sie haben mich nicht vorbeilassen. So schwarze Pferde.

No, aber meine liebe Mutter, sie ist dort im Jenseits, sie hat mir immer gesagt:

"Wenn irgend so was vorkommt, greif immer in die Tasche."

Entweder ein Rosenkranz oder Brot soll in unserer Tasche sein.

Also, man könnte glauben, ich war so ein dreizehnjähriges Mädel und so was. Ich sah, sie stehen hier und hier, und dazwischen wollte ich durchgehen. Sie drehten sich zueinander und ließen mich nicht durch. Zum Schluß hab' ich schon ein Kreuz geschlagen. Bald bin ich aber zur Vernunft gekommen, ich such nach, ob ich was in der Tasche hab'. Und zum Glück - bei mir ist immer etwas Brot - hab' ich was gehabt. Ich griff danach. Dann drehten die sich um und verschwanden. Ich konnte weitergehen.

Als ich aber beim Arzt ankam, konnte ich kein Wort reden. Dieser Arzt hat mich aber gekannt, er sagt:

"Was ist, Mädel?"

Ich hab' nur gedeutet.

No, als ich dann mit dem Arzt zurückging, wir gingen aber nicht auf diesem Weg, auf einem ändern, da flogen zwei feurige Besen gerade durch den Kamin hinein. Das hab' ich selber gesehen.

Ja, sie können sich verwandeln, in was sie wollen. Das war ihre Macht. Jetzt aber haben sie keine Macht mehr. Alles, Katze und Frosch, meistens Frosch, und so was, kam davon heraus. Und feurige Besen.
No, und dann sind sie hineingeflogen.

Ich hab' den Arzt gepackt, und so bin ich gegangen. Der Arzt hat mich angeschaut und ich ihn. Wie hätte er das nicht sehen sollen! Auch der Arzt hat das gesehen.

Einige Tage darauf kam er wieder. Dann sagt er:

"No, armes Mädel, Sie haben viel ausgestanden."

Dann hab' ich ihm erzählt, was war.

"Ja", sagt er, "mein liebes Kind, das ist halt so."

Sie waren nur zu zweit. Es waren zwei Frauen, aber aus einem Haus mit gutem Ruf, nicht aus irgendeinem schlechten Haus.

Ich sag: Als ich ein Mädel war, bin ich zur Vernunft gekommen, als ich diese Pferde gesehn hab', was ich tun sollte. Ich bin verloren. Ich hab' aber mit diesem Brot.... Rosenkranz hab' ich nicht bei mir gehabt, so griff ich nach dem Brotbrösel. Und natürlich hab' ich ein Kreuz geschlagen. Und die Pferde verschwanden.

Es ist mir am eigenen Leib passiert, so kann ich das sicher sagen. Das ist nicht irgendeine Tratscherei oder Gott weiß was. Weil, was ich nicht selber gesehn hab', das glaub ich nicht immer.


Quelle: Angaben zu den abergläubischen Erzählungen aus dem südlichen Burgenland (Burgenländische Forschungen, H. 33), Karoly Gaal, Eisenstadt 1965, Nr. 105, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 129f.