36. [Zwerg Putz]

In der Dürrenbachau bei der Burg Neukirchen (Pinzgau) sollen Schätze vergraben sein, die ein kleines, braunes Männchen bewacht, das man für einen verwandelten Ritter (von Neukirchen) hält. Es wird vom Volke Putz genannt, der äfft die Durchreisenden und führt sie irre. Bald hüpft er als eine Flamme vor, bald erscheint er in seiner eigentümlichen Gestalt als ein drei Spannen hohes Männchen, mit langem weißem Barte, brauner Kutte, einen Fichtenzweig in der Hand, mit dem es beständig die Erde peitscht.

Viele Jahre hörte man nichts mehr von dem Zwerge; da gieng einst ein Bauer aus Neukirchen in den Wald um Holz zu fällen. Als er in den Wald kam. hörte er eine Stimme, die ihm zurief: "geh' nur zu!" Dem Holzhauer kam dieß sonderbar vor; er gieng weiter und kam an einen freien Platz der rings von Fichten umgeben war. Hier rief ihm wieder eine Stimme zu: "hier schlag Holz!" Der Holzhauer sah sich um und gewarte hoch auf einer Fichte einen Zwerg, den er sogleich für den Putz erkannte, von dem man ihm in seiner Kindheit so oft erzählt hatte. Der Holzhauer wollte fliehen, doch Putz hielt ihn davon ab und sprach: da ich dein Taufpathe [Taufpate] bin, so will ich dir einen Platz zum Holzfällen zeigen, der dir sehr einträglich sein wird. Also wähle einen von diesen Bäumen, jedoch geschickt.

Der Holzhauer nahm seine Achst vom Rücken und gieng auf den Baum zu, auf dem der Zwerg saß; er gedachte ihn zu fällen, weil er glaubte der Zwerg könne nicht herunter. Er besah sich den Baum und sprach: He Pathe, wenn ich dir von da oben herunter helfe, so ist das eine tüchtige Arbeit und einen guten Schluck Wein wert. Der Zwerg machte aber ein sehr bedenkliches Gesicht, so daß dem Holzhauer alle Gedanken zum spassen wohl vergiengen und er sich nicht getraute die Achst an den Baum zu legen, aus Furcht den unrechten gewählt zu haben. Doch fasste er sich ein Herz und fällte die Fichte, die schon beim dritten Streich fiel. Der Stamm war hohl und voll Dukaten. Nimm! schrie der Zwerg und lief in wilder Hast dem Dorfe zu. Der Holzhauer füllte seine Taschen mit Dukaten und gieng dann daran, den gefällten Baum zu zerspalten, um Holz zum heizen zu haben. Da ihm aber die Menge des Goldes hinderlich war, so legte er alles auf die Erde und überließ seinem Hunde die Bewachung desselben. Als er am Abende mit dem Holzspalten fertig war, füllte er seine Taschen mit Dukaten an und gieng freudig nach Hause. Allein hier schüttelte er Haselnüsse statt Dukaten auf den Tisch, und fand dabei einen Zettel, auf dem folgende Worte geschrieben stunden: "Die Erde verschlingt die Menschen wie auch das Erz, und Menschen und Erz bilden den Samen, aus dem eine Fichte wachsen wird, die in ihren Zweigen ein Kreuz befestigt hat; wenn sich nun die Fichte im Wüchse so gedreht haben wird, daß das Kreuzbild gerade nach der Kirche sieht, dann hat erst die Stunde meiner Erlösung geschlagen". Hätte der Bauer das Gold nicht auf die Erde gelegt, so wäre die Erlösung geschehen. Nachdem der Holzhauer den Zettel gelesen hatte, fiel er um und war tot.

Am Fußwege nach Neukirchen steht rechts eine Fichte, als an der Stelle wo der Bauer das Gold niedergelegt hatte. Diese Fichte hat in ihren Zweigen ein Kreuz. Alte Leute wissen sich noch zu erinnern, wie das Kreuzbild einst gerade über den Flußsteig hinsah und nun hat sich die Fichte im Wuchst so gedreht, daß das Kreuzbild nach den Schlosse Neukirchen hinsieht. Also hat es sich schon etwas gedreht.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 213ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.