30. [Der Totenreiter als Vorbote]

Auch der Todtenreiter erscheint als Vorbote, wie folgende Sage zeigt.

In einem Hause des Ortes Weierburg (Nied. Österr.) haust der Sage nach seit langen Zeiten ein Gespenst, welches jedoch nur dann als schwarzer Reiter erscheint, wenn ein Bewohner des Hauses stirbt.

Zu dem Besitzer des Hauses war einst eine junge Frau gekommen, um den Sommer dort zuzubringen. Eines Abends kam unvermuthet ihr Mann an, der muste die Nacht in einem Hintergebäude zubringen. Sie begleitete ihn mit einem Lichte über den langen düstern Hof, als sie plötzlich Pferdegetrappe hörte und zu ihrem Schrecken einen ungeheuern Reiter auf sich zu kommen sah, welcher ganz schwarz und wohl drei Klafter hoch war. Mit einem Schrei des Entsetzens warf sie das Licht weg und floh eilends nach dem Hause, allein sie sah abermals diesen Reiter vor sich, welcher ihr den Eintritt zu verwehren schien. Halb bewustlos fiel sie zu Boden und wurde so von ihrem Manne angetroffen, der ihr nachgeeilt war, und sich die Ursache ihres Schreckens nicht zu erklären wuste, da er weder das Pferdegetrappe gehört noch den Reiter gesehen hatte.

Dieß erschien den Leuten als ein sehr bedenkliches Vorzeichen, und in der That war die junge Frau in einigen Monaten eine Leiche.

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Weitere Belege zu diesem Abschnitte in meinen "Alpensagen" S. 402 ff. Was dort von der Todtenschar, vom Todtenvolk etc. mitgetheilt ist, steht offenbar im Zusammenhange mit der "wilden Jagd", wie denn in unsern bisherigen Mittheilungen fast alles auf einen heidnischen Hintergrund, auf Wuotan weiset. Das muß uns immer mehr überzeugen, wie monotheistisch die Religion der Deutschen ursprünglich gewesen ist. Schon Tacitus (Germania 9) sagt: deorum maxime Mercurium colunt. (Über Mercur s. Gr. M. 117, 136, 327. 928.) Zur Bestätigung dient auch die folgende Sagengruppe, die im Volke noch tiefe Wurzeln hat.


Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 106f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.