28. [Die kopflosen auf Smolna schieben Kegel mit ihren Köpfen]

Zwischen den mährischen Städten Leipnik und Bodenstadt liegt ein Feld, welches den Namen "Smolná" führt. Auf diesem Felde wächst weder ein Baum, noch irgend eine Pflanze, sondern es ist bloß felsig und mit nichts als Mos bedeckt. Die Slaven erzählen davon folgendes:

Jedem Beamten, der die Leute streng behandelte, wurde von den Bauern heimlich gedroht: "der wird auf Smolná geführt". Die Bauern glaubten nämlich, wenn er stürbe, so verschwinde sein Leichnam, und der Kopf werde vorher mit einem Grabscheite abgehauen. Ein slavischer Bewohner erzählte folgendes:

Ich gieng die Straße von Bodenstadt gegen Leipnik und da muste ich den Weg über's Feld Smolná einschlagen. Es war bereits Nacht geworden, und da ich in der Gegend unbekannt war, so sah ich mich genöthigt auf diesem Felde zu übernachten. Ich schlief ein, an ein kleines Polster von Mos gelehnt, und lag so bis zur 11. Stunde Nachts. Da öffneten sich plötzlich die Hügel, und aus ihnen giengen schön gekleidete Männer, alle ohne Kopf, heraus und spazierten einige Zeit umher. Darauf kamen ihre Köpfe zum Vorschein und mit diesen schoben sie Kegel.1) Plötzlich aber verschwand alles, denn es schlug die 12. Stunde.

Am frühen Morgen eilte ich gegen die nahe liegende Stadt Bodenstadt zu, und erzählte es allen in der Herberge. Diesen gefiel es und zwei fassten den Entschluß, diese wunderbare Erscheinung auch einmal zu sehen. - Sie giengen hinaus, legten sich auf's Mos, und erwarteten die 11. Stunde. Und als diese erschien, kamen plötzlich schöne Wagen, jeder mit 4 Pferden bespannt, die jedoch mit dem Kopfe gegen den Wagen und mit dem Schweife nach vorwärts gekehrt waren. Alle fahrenden waren ohne Kopf, und zur 12. Stunde entstand ein furchbarer Sturm, und alles verlor sich allmählich.

Ein lustiger Geselle wollte so etwas abenteuerliches auch einmal ansehen. Er gieng gegen Abend auf dieses Feld, und nahm Brot, Fleisch und Wein mit. Als er auf dem Felde ankam, setzte er sich nieder, aß und trank; darauf schlief er ein. Zur 11. Stunde erschienen die verklärten Männer und wiederholten ihr Spiel. Er betrachtete alles, näherte sich ihnen und bot ihnen sogar etwas von seiner Speise und von seinem Tranke an. Jedoch um zwölf Uhr musten sie verschwinden. Am Morgen erwachte er, und war verwundert, als er sah, daß er nichts bei sich hatte, weder etwas von der Speise noch irgend ein Weingefäß. Darüber schauderte er und verließ eiligst dieses Feld. Niemanden konnte er etwas von dem gesehenen erzählen, und als man ihn fragte, gab er zur Antwort: "Ich wurde von den Geistern betäubt, und sie nahmen alles, was ich bei mir hatte."

1) Anderwärts erzählt das Volk vom Kegelspiel der Helden, Hünen, des Teufels. Vergl. Kuhn nordd. Sag. Nr. 59 u. S. 476; Gr. Myth. 905.

Die Deutschen erzählen dagegen:

Auf dem Wege von Leipnik nach Bodenstadt (auf der rechten Seite) ist ein Flachsbrechhaus, in welchem viele Dienstmägde wohnen. Gewöhnlich muste eine von ihnen in der Nacht trocknen, um in der Frühe den andern Arbeit zu schicken; die andern begaben sich zur Ruhe bis die Stunde kam, wo sie arbeiten musten. Gegen die 11. Stunde hörte die wachende plötzlich das Gerassel eines Wagens. Ein Schauder überfiel sie, da in dieser Gegend nie ein Wagen fuhr, weil ringsumher Felder sind. Die Neugierde brachte sie zum Fenster, um den vor diesem Flachsbrechhause stehenden Wagen zu sehen. In dem Wagen saß ein ihr bekannter Jude, sammt einem schönen jungen Mädchen, das ihr auch bekannt war. Beide hatten abgeschnittene Köpfe, die nach rückwärts gebogen waren, und herabhingen. Der Knecht hatte eine schöne, sehr alte Kleidung. Als sie vor dem Brechhause ankamen, sprang der Knecht herab und gab den Pferden etwas Heu. Die arme Wächterin ward aber von solcher Angst ergriffen, daß sie nicht im Stande war sich zu bewegen. Gerne hätte sie ihre Gehilfinnen gerufen, aber sie hatte keinen Muth dazu. Sie fieng endlich so laut an zu schreien, daß alle herbei kamen. Darauf verfiel sie in eine schwere Krankheit. Am frühen Morgen sahen die Flachsbrecherinnen an jener Stelle, wo der Wagen gestanden war, Heu, und dadurch ward alles geschehene bekräftigt. Zur Mittagszeit war es schon in Bodenstadt bekannt, und man erinnerte sich, daß ein Jude sich erhängt hatte, und das mit ihm fahrende Mädchen aber durch einen unbekannten Mörder getötet war.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 53ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.