24. [Ein Reiter auf einem dreibeinigem Schimmel und kopflos]

Im Troppauer Kreise liegt das Bergstädtchen Bennisch. Daselbst soll vor langen Jahren ein Bürgermeister gelebt haben, welcher Kunz hieß. Er galt allgemein für einen Hechsenmeister, weil er als Reitpferd einen dreibeinigen Schimmel hatte. Er ritt oft in später Nacht von Hause weg, ohne daß man wuste wohin, und früh morgens war er doch wieder zu Hause. Besonders bezeigte er sich gegen reisende Fuhrleute gefällig, indem er stets bei der Hand war, wenn man ihn wünschte. Wenn die Fuhrleute auf dem Grenzhügel zwischen Bennisch und Spachendorf auf der Straße stecken blieben, die stets äußerst schlecht war, so brauchten die Fuhrleute bloß zu sagen: Wenn nur Herr Kunz käme! - Augenblicklich kam er auf seinem dreibeinigen Schimmel daher gesprengt, und nahm seine Stellung vor den abgematteten Pferden, ohne daß man sah, daß er den Schimmel vorspannte, und fort gieng es dann über Stock und Stein, selbst wenn der Wagen bis an die Achse im Kothe gesteckt hatte. Oft half Herr Kunz auch den Holzführern über die "kalte Ecke", das ist ein waldiger Berg, an dessen Fuß die forellenreiche Oppa vorbei fließt; jedoch musten sie jederzeit sagen: wenn nur Herr Kunz käme! denn wenn man bloß sagte: wenn nur Kunz käme! so kam er gewis nicht, er wollte durchaus Herr Kunz genannt sein, sonst trug er dazu bei, daß die Wagen noch mehr im Kothe versanken. - Oft hat man ihn zur Nachtzeit ohne Kopf reiten sehen, und allenthalben wich man ihm aus, wie einem Gespenste. Nachdem er geraume Zeit auf diese Weise sein Unwesen getrieben hatte, starb er eines plötzlichen Todes. Als man ihn begraben wollte, führte der Weg über den Marktplatz, auf dessen Mitte ein Gebäude sich befand, was man die Fleischbänke nannte. An einer Seite des Gebäudes befanden sich die Löschgeräthe der Stadt, sammt Feuerspritze, auf der andern Seite war die Wachstube der Hauptwache und oben auf dem Dachboden der städtische Schüttboden. Als der Leichenzug vorübergieng, unterlagen beinahe die Leichenträger unter der Last der Leiche. Plötzlich rief eine Stimme von Balken des Schüttbodens dem Leichenzug zu: Wen begrabet ihr denn hier? Herrn Kunz den Bürgermeister, war die Antwort. Wer weiß ob's wahr ist, sagte die Stimme von oben, seht einmal in den Sarg hinein.

Die Träger stellten die Bahre nieder und öffneten den Sarg, den sie statt einer Leiche mit Steinen gefüllt fanden. Plötzlich hörte man ein furchtbares Gelächter, und Herr Kunz wurde auf dem Balken auf seinem dreibeinigen Schimmel sichtbar; er brauste reitend über die Stiege herab, sprengte durch den Bogengang der Fleischbänke in aller Eile, und verschwand in dem dort befindlichen Brunnen, dessen Wasser nicht trinkbar ist. Vom Herrn Kunz und seinem dreibeinigen Schimmel ist seit dem nie wieder etwas gesehn worden.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 50f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.