18. [Verwandlungen des Wassermanns]


a.

Die Umgegend von Hradisch (an der March in Mähren) ist der Lieblingsaufenthalt des in ganz Mähren bekannten Wassermanns; denn in keiner Gegend wird von ihm so viel erzählt als dort. Man sieht ihn oft bei den Krümmungen bald als Jäger mit grünen Kleidern angethan, bald als Fischer mit einem Netze, die vorübergehenden um Hilfe rufend, als ob ihm ein Unglück geschehn wäre. Dieß thut er, um desto sicherer einen Fang zu machen. Es sind auch Fälle vorgekommen, daß er sich in einen seltsamen Fisch verwandelt und wie leblos im seichten Wasser sich ausgestreckt hat, um die Menschen so an sich zu locken. Einst geschah es, daß zwei Färbergesellen nicht weit von einer Wasserkrümmung badeten. Der Wassermann lag dort in der Gestalt eines seltsamen Fisches. Als die Gesellen ihn fangen wollten, schnellte plötzlich der scheintote Fisch in die Höhe und verwandelte sich in einen Menschen. Der Schrecken der badenden war so groß, daß sie beinahe besinnungslos aus dem Wasser entflohen.

Wenn er als Jäger zu sehen war, so hat man ganz genau bemerkt, daß ihm aus jeder Tasche das Wasser rann. Einst soll er in dieser Kleidung in einer Schenke der Vorstadt von Hradisch erschienen sein. Er ließ sich eine halbe Maß Bier einschenken, und trank; allein auf einmal bemerkten die übrigen Gäste eine immer größer und größer werdende Lacke Wassers, welche gerade unter ihm war. Als sie ihn daran erkannten und ihn fangen wollten, sprang er zum Fenster hinaus und verschwand in den Fluten der March.

Er lockt besonders die Kinder an sich, indem er verschiedene Sachen, als schöne Bänder und Ringe, an den äußersten Rand des Ufers legt. Einst giengen zwei Mädchen am Marchufer spazieren, und bemerkten schöne rothe Bänder. Sogleich blieben sie stehen; die eine griff freudig nach dem Funde, wurde aber vom Wassermanne mit in die Fluten gerissen. - Einmal eilte ein rüstiger Bauer aus einer Schenke nach Hause, in das 1 ½ Stunde von Hradisch entfernte Dorf Kunowitz. Während des Aufenthaltes in der Schenke hatte er bei der Erzählung vom Wassermanne geschworen, den Wassermann niederzuhauen, sobald er ihn erblicke. Seine Bekannten machten ihn aufmerksam, er werde den Wassermann gewis sehen, wenn er den Steg betrete, welcher über einen kleinen Arm der March führe, denn dieß sei sein Nachtaufenthalt. Der lustige Bauer aber lächelte und begab sich auf den Weg. Kaum war er in die Nähe des Steges gekommen, da stellte sich ihm eine grün gekleidete Zwerggestalt mit einem Beile in der Hand entgegen, und wehrte ihm den Übergang, Der Bauer erinnerte sich dessen, was ihm seine Bekannten erzählt hatten, und nahm nun seinen Stock zu Hilfe. Allein je mehr er mit dem Stocke herumhieb, desto größere Sprünge machte der Wassermann; schon war seine Waffe zerbrochen, und das Ungethüm war noch unversehrt. Erzürnt über die Keckheit, riß der Bauer ein nahe stehendes Bäumchen aus der Erde, und schon war er im Begriffe auf den Steg zu springen, da drehte auf einmal der Wassermann den Steg um, und der Bauer lag im Wasser. Er kam jedoch glücklich heraus, und eilte in die Schenke. Als mehrere zu Hilfe kamen, war vom Wassermanne nichts mehr zu sehen.

b.

Sehr oft sieht man den Wassermann in der March bei mährisch Ostra.

Einst gieng an einem späten Herbstabende eine Bäuerin in den Garten, bei dem die March vorüberfloß, um ein verlornes Huhn zu suchen. Sie geht im Garten hin und her; plötzlich erblickt sie ein schönes Huhn von ungewöhnlicher Größe und von prächtigem Gefieder. Sie eilt hinzu um es zu fangen, und bald erwischt sie es auch. Voll Freude eilt sie nach Haus, um es ihren Hausleuten zu zeigen, und diese verwundern sich alle über seine Schönheit. Sie that es dann unter ein Sieb und beschwerte dieses mit Blöcken von Holz, auf daß ihr der Findling nicht entwische. Unterdessen besorgte sie das Nachtessen, und als nach diesem ihre Nachbarin auf Besuch kam, und die Wirtin ihr dieses Wunderhuhn zeigen wollte, war es verschwunden. Ganz bestürzt machten sich nun die Nachbarin und Wirtin auf, um das verlorne Huhn zu suchen. Wie sie in dem Garten ankamen, erblickten sie es, und sie musten es mehrere Stunden herumjagen. Als sie endlich ganz müde waren, eilte das Huhn der March zu, flog in die Höhe und verschwand als Mann mit Gelächter in der March. Dieses Huhn soll der Wassermann gewesen sein.

c.

Verläßt man mährisch Ostra, so führt ein Weg, der March entlang nach Hradisch.

Einst gieng ein Mann spät am Abend diese Straße, und dachte über verschiedene Geschichten vom Wassermanne nach. Als er eine halbe Stunde von der Stadt entfernt ist, kommt er auf eine Stelle, wo am nahen Ufer ein ganz kleiner grün gekleideter Mann mit einer kleinen Schusterwerkstätte sehr beschäftigt ist. Ganz verwundert steht er still und wild so ängstlich, daß er sich nicht trauet vorüber zu gehen; er kehrt daher eilends nach Hause zurück. Seinen Nachbarn erzählte er diese sonderbare Erscheinung, und diese rieten ihm, er solle etwas geweihtes hin werfen. Er nahm daher einen Rosenkranz und gieng Tags darauf um dieselbe Stunde die Straße nach Hradisch. Als er jener Stelle nahe kam, sah er wieder den kleinen Mann, der sehr fleißig arbeitete. Muthig warf er seinen Rosenkranz auf die Werkstätte, und plötzlich fuhr die Werkstätte sammt dem Meister in die Höhe und verschwand in den Fluten der March. An jener Stelle aber blieb ein Stiefel zurück; den behielt der arme Mann als Belohnung für die Angst, und zeigte viele Jahre hindurch den sonderbaren Stiefel, der vom Wassermanne geschustert sei. Und als er starb, befahl er, daß man ihm diesen Stiefel mit in's Grab gebe, und sein Weib erfüllte auch diesen Wunsch.

In der Umgegend Ostras soll der Wassermann Kinder besitzen, die ganz weiß gekleidet sind und besonders an warmen Sommerabenden erscheinen und manchem an dem Marchufer gehenden durch ihr herumhüpfen auffallen. Werden sie mit etwas geschreckt, so verschwinden sie in der March; sie thun aber niemandem etwas zu leide.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 187ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.