22. [Kindersänge]

In Mährisch-Trübau gehen am vierten Fastensonntage morgens kleine Mädchen aus der ärmern Volksklasse mit ihren Maibäumchen von Haus zu Haus und singen folgendes Lied:

Maia, Maia, Summa grü,
die liebn Engel singa schü;
sie singa oll' zu gleicha
im grußn Himmelreicha.
Grußa Fischlich, klana Fischlich
schwimma olla in an Teicha.
O do schaut a schöna Jungfer raus,
die wird sich net long bedenka,
wird mer wol an Groschn schenka.

Nach dem Gesänge wird den Mädchen eine kleine Gabe gereicht.

In Freudenthal (österr. Schlesien) singen die Kinder am Maitag:

Klene Fischle, klene Fischte
schwemme of an Teichle,
rothe Rösle, rothe Rösle
wachse of an Streichle,
weiße Lil'gn, weiße Lil'gn
wachsn of an Stengl,
der Herr is schien, der Herr is schien,
de Frau is wie an Engel etc.

 

In Gurschdorf singen sie am Maitag:

1. Die goldene Schnur giht em dos Haus,1)
die jonge Frau Wertin giht ei ond aus;
sie giht wie äne Tocke
ei ihre bloa Rocke.
Sie wat sich wull bedenka,
sie wat mer wull wos schenka,
a Greschla oder än Dreier,
oder a holb Schock Ajer.

2. Der Herr dar Hot a huche Metze,
er hot st olle vull Dukote setze;
ar wat sich wull bedenka u. s. w.

3. Rute Nusen
wachsen of an Stängel,
der Herr is schien,
de Frau is schien,
de Kender sein wie d' Engel.

1) Geht um das Haus. —Sollte dieß auf den Goldfaden in der Edda (1 Lied von Helgi dem Hundingstöter) zurückzuführen sein?

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 298f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, Mai 2005.
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