Der Nocker Hansl

Der „Hansl“ war Johann Nockbauer. Er stammte aus einem der höchstgelegenen Höfe dieses Tales — am Nock —, wovon er auch seinen Namen hatte. Er war Altschneeberger und Kürführer (Vorarbeiter) der Säubererbuben, also in der Grube mit Wegfüllarbeit beschäftigt; er betätigte auch den Martinaufzug in der Schröckingerzeche und war Bremser der als „Glump“ bezeichneten Armenseelenbremse im Lorenzischacht; er besorgte weiters alle dringenden Postgänge nach Sterzing oder St. Leonhard in Passeier, je nach den Wegverhältnissen; er war Begleitperson aller Inspektionsbeamten des Ministeriums, der Berghauptmannschaft, des Revierbergamtes und der eigenen Beamten sowie des Schneebergkaplans.

In Erkrankungsfällen ging er mit der Krankengeschichte zum Arzt und brachte in oft unglaublich kurzer Zeit Weisungen oder Medikamente zurück; zu Sterbenden holte er den Kaplan von Rabenstein herauf. Er brachte zu Weihnachten das Bäumchen, zu Hl. Dreikönig geweihtes Salz und Wasser, von der Palmenweihe Palmkätzchen sowie als besondere Aufmerksamkeit vom Herrn Pfarrer in Rabenstein einen Ölzweig. Zu Ostern fehlte nicht ein Stückchen Brot und Speck sowie ein gefärbtes Ei als „Geweihtes“.

Er brachte die ersten Küchenschellen und „Dunnerbuschen“ (Alpenrosen) und als besondere Spezialität weiße Alpenrosen aus der Schönau am Fuße des Timmeljoches. Zum hohen Frauentag vergaß er nicht, geweihte Blumen zu bringen: Edelweiß, Edelraute, Arnika, Brunellen, — gut zu gebrauchen für Mensch und Vieh. Hansl war auch Mesner, Kranken- und Leichenwärter, er war ein Mensch nach altem Schrott und Korn und treu wie Gold; doch hatte er seine eigene Prägung und man musste wissen, wie man ihn zu nehmen hatte. Davon ein paar Beispiele.

Der schon im vorigen Bericht genannte junge Steiger und noch ein Knappe sowie der Hansl waren mit dem Ausstecken der Ausbisslinie des Erzganges im Gehänge des Himmelreichgebirges und des Kübelschlages beschäftigt. Das Gelände war sehr abschüssig und steil, über Nacht war es bitter kalt und der Schnee war fest gefroren, so dass man, ohne einzubrechen, gehen konnte wo man wollte, der Schnee trug „Harsch". Das Ausstecken geschah durch Anbringen von Fahnen. Der dritte Mann wollte eben eine solche Fahne aufstecken, als er dem Steiger zurief, er fühle sich unsicher und komme ins Gleiten. Der Angerufene eilte ihm zu Hilfe; die Stelle war aber so vereist und hart gefroren, dass es ihm nicht besser erging. Er rief daher dem Hansl, der einen Eispickl mit sich führte, zu, er möge beiden helfen, was dieser aber mit den Worten verneinte, es schwindle ihn, er werde Leute holen. Bald gellte von der Arbeiterkaue her die Schichtglocke „Leute in Gefahr". Die Lage war inzwischen schon sehr kritisch geworden. Der Markscheidergehilfe hatte den Mut verloren und wusste sich nicht mehr zu helfen. Unterdessen gelang es aber dem jungen Steiger, allerdings mit blutender Faust, die Harschdecke zu durchstoßen und an einem größeren Stein Halt zu gewinnen, so dass beide sich bereits in Sicherheit befanden, als Hansl mit den Leuten anrückte. Es ist wohl begreiflich, dass der Steiger nicht rosiger Laune war und ihn anpfiff, was Hansl mit den Worten abtat: „Der Hl. Barbara sei Dank, dass alles gut vorbeigegangen ist, i hon holt gedenkt, es isch besser, wenn lei zwoa hin sein, als wia drei." —

Mitgeteilt von Hans Wallnöfer, Bergrevierinspektor in Hall/Tirol.

Quelle: Paul Ippen, Denk- und Merkwürdiges aus dem österreichischen Bergbau, Wien 1965, S. 24 -25.
© Digitale Version: www.SAGEN.at