Der betrogene Mann

Eine Frau aus Palzem erzählt: Es war einmal ein Jüngling, der war losledig und wohnte allein und zufrieden in seinem Hause. Da kam nachts ein überaus schönes Mädchen zu ihm, das ihm ungemein gefiel, und er dachte: „Wenn doch das Mädchen deine Frau wäre.“ Was er auch anrichtete, um es zurückzuhalten, jedes Mal war es plötzlich wieder verschwunden. Traurig ging er zur klugen Nachbarin und klagte ihr sein Leid. Die ersah gleich, wo der Schlüssel zur Sache sein musste, und sprach: „Ist kein Knotenloch in deiner Haustür? Das musst du zumachen, sobald die Jungfrau drinnen ist; dann kommt sie nicht mehr fort, denn sie muss auf demselben Wege hinausgehen, wo sie hereingekommen.“ Der Jüngling schaute nach in der Tür und fand wirklich ein Knotenloch. Dafür machte er nun einen Zapfen, der gerade passte, und legte sich getrost zu Bett. Als nun des Nachts die Jungfrau wie gewöhnlich hereinkam, sprang er aus dem Bett und steckte den Zapfen ins Knotenloch. Da kam das Mädchen nicht mehr fort und er behielt es bei sich und fragte, ob es nicht sein Weib werden wolle. Sie wurden denn auch bald verheiratet, und Gott schenkte ihnen drei allerliebste Kinder. Eines Tages, als die Frau Pfannkuchen buk, und der Mann eben nichts zu tun hatte, dachte er bei sich: „O! es ist jetzt einerlei, ob das Loch auf ist oder zu“, und er stieß den Zapfen aus. Da tat die Frau bei den Kindern einen hellen Schrei: „Puh! ich höre die Glocken in England läuten!“ und husch! husch! war sie durchs Knotenloch verschwunden und kam nie mehr zurück. Und da saß nun der Mann mit seinen drei Kindern. Wenn er klug gewesen und den Zapfen nicht ausgestoßen oder kein Hexengespenst aus England heimgeführt hätte, so wäre sein Weib noch heute bei ihm.

N. Gaspar

Quelle: Nikolaus Gredt, Sagenschatz des Luxemburger Landes, Luxemburg 1883