Das Kiddelsmehnchen (Kittelsmännchen) zu Echternach

In dem Echternacher Abteigebäude spukte ein Kobold, der unter dem Namen Kiddelsmehnchen bekannt ist und die Bewohner besagten Gebäudes vielfach neckte. Ein alter Mann, der Tag und Nacht in einem Nebengebäude zubrachte, um Pottasche zu brennen, wurde sehr oft von dem Kobolde heimgesucht. Während der gute Alte, das Gesicht in die Hände vergraben, ruhig bei seinem Kessel saß und betete, trat der kleine Kauz oft herein und fing an, auf einem nebenstehenden Amboß zu hämmern, dass die Funken weithin stoben und das Gebäude erzitterte. Der Alte ließ den sonderbaren Schmied ruhig gewähren, welcher sich bald wieder stumm, wie er gekommen, entfernte.

Derselbe Mann bekam auch oft den Auftrag, eine in der Nähe befindliche Tuchbleiche während der Nacht zu hüten. Einmal nun sah er jemand in der Dunkelheit sich hereinschleichen und um die Leinwand herumspazieren. Er rief ihn an. Da er aber keine Antwort erhielt, verfolgte er denselben bis an die Tür. Als er nun hier den vermeintlichen Dieb eben am Halse fassen wollte, zerfloss derselbe in Dunst. Nun merkte er erst, daß er vom Kiddelsmehnchen geäfft worden.

Oft, wenn die Pförtnersleute abends ruhig in der Stube saßen und die Kinder schon zu Bett waren, verursachte der Kobold in den Gängen und Treppen ein solches Getrappel, Gepolter und Kindergeschrei, als ob Gänge und Treppen mit Pferden und Eseln angefüllt wären und als ob die erschrockenen Kinder um Hilfe schrieen. Wenn man aber draußen nachsah und die Kinder beruhigen wollte, fand man alles ruhig und vom Spuke keine Spur. Nicht selten ließ sich das Kiddelsmehnchen in Gestalt eines Fasses vom Dache des Abteigebäudes fallen. Wenn dann alles zusammenlief, um nach der Ursache des furchtbaren Gepolters zu sehen, fand man wieder gar nichts.

J.N. Rollmann, Lehrer zu Echternach

Quelle: Nikolaus Gredt, Sagenschatz des Luxemburger Landes, Luxemburg 1883