WOHIN KOMMEN DIE "ALTEN GITSCHEN"?

Der Tiroler Volksmund läßt die alten Jungfern - die aus Stolz oder eigensüchtigen Gründen ledig geblieben sind - nach ihrem Tode nicht in den Himmel (und auch nicht in die Hölle) kommen, sondern "verbannt" sie da oder dorthin auf Berge oder in Sümpfe. So kommen die alten Welschnofner Gitschen sogleich nach ihrem Hinscheiden hinauf auf den Plun, einen bewaldeten Rücken im Süden des Dorfes, von wo herab sie ihren "Jungfernplärrer" tun müssen, und dasselbe geschieht mit den Völser "Gitschen", die aber auf den Tschafon verbannt werden. Und die alten Tierser "Gitschen" kommen auf den Schlern, wo sie auf ewig Wolken schieben müssen.

Der bekannteste und berüchtigste Altjungfernplatz im Lande aber ist (oder war) das große Sterzinger Moos, das sich einstmals südlich von Sterzing zu beiden Seiten des jungen Eisacks ausbreitete und mit alten Jungfern nur so vollgestopft war! Wehe dem späten Wanderer oder Fuhrmann, der hier zu nächtlicher Zeit durchmußte! Von allen Seiten krochen sie heran, diese unglückseligen Geschöpfe, und schrien und quakten derart fürchterlich zu dem Vorübergehenden hinauf, daß ihn ein Grausen packte und er eiligst aus diesem unheimlichen Sumpfbereich zu entkommen trachtete! Und dabei versuchten sie auch, den Durchziehenden entweder mit freundlichem Getue oder gar frisch mit Gewalt zu sich hinab in den übelriechenden Sumpf zu ziehen. Mehr als einer, der hier durchging und zu nahe an den Sumpf kam, verschwand darin und kam nie wieder zum Vorschein.

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 37 f.;
Weber, P. Beda, Das Land Tirol, ein Handbuch für Reisende. 2. Band, Südtirol. S. 17;
Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 782;