Die beiden Rosse



Vom Kurzhof bis zum Gurschlhof geht man gut drei Stunden lang. Der Kurzraser Knecht wußte sich schon zu helfen, daß er mit weniger Mühe zu seiner Zukünftigen am Gurschlhofe kommen könnte. Wenn am Kurzhof alles zur Ruhe gegangen war, sattelte der Knecht ein Pferd, schwang sich hinauf, und fort ging es in schnellem Trabe den weiten, nächtlichen Weg bis zum Gurschlhof. Am Morgen stand das Roß wieder im Stall am Kurzhof, freilich schwitzend und stark abgehetzt. Dem Bauer am Kurzhof entging das nicht, und er war besorgt um sein gutes Reitpferd. Er ließ sogar den Viehdoktor kommen.

Wiederum war der Knecht auf seinem nächtlichen Ritt bis zum "Maschtgatter" unterhalb vom Gurschlhof gekommen und band dort sein Reittier an. Und wie er sich zur Heimkehr anschickte, fand er zu seinem größten Schrecken zwei Pferde am "Maschtgatter" angebunden. Beide glichen sich bis aufs Haar! Der Knecht war nicht imstande zu unterscheiden, welches sein richtiges Pferd sei. Kommt er mit dem falschen Pferde heim, könnte er aufkommen und zur Rede gestellt werden. Da war keine Zeit zu verlieren! Bei solcher Wahl glaubte er, das Pferd rechts wählen zu sollen und nicht das Pferd links. Zu seinem Glück hatte er das richtige gewählt. Er kam glücklich zum Kurzhof. Das war auch sein letzter Ritt auf fremdem Pferd und auf verbotenen Wegen. Als er nämlich sein Pferd bestieg am "Maschtgatter", begann es an Ort und Stelle unheimlich zu krachen. Das zweite Roß riß sich vom Zaune los und sprang als feuriges Ungeheuer über die Felswände hinab und hinterließ scharfen Schwefelgeruch. Nun wußte der Knecht, mit wem er es zu tun hatte. Das zweite Pferd war niemand anderes als der Leibhaftige selber. Hätte er dieses bestiegen, so wäre es mit ihm samt Haut und Haar zur Hölle gefahren.

Quelle: Die Kartause Allerengelberg im Schnalstal, Rudolf Baur, Bozen 1970, S. 104.