Der Hexer vom Greiterhof

Der hochgelegene Greiterhof befindet sich zwischen St. Martin am Kofel und Trumsberg. Der Bauer galt weitum als Hexenmeister, der allerhand Unheil heraufbeschwören und auch bannen konnte. Er besaß ein schwarzes Hexenbüchlein, das er meistens bei sich trug und mit dessen Hilfe er zaubern konnte. Beim Kauf eines schönen Zuchtkalbes kam ihm ein Nachbar zuvor. Am nächsten Tag lag das Kalb tot im Stall des Nachbarn. Junghennen, die ihm eine Bäuerin nicht verkaufte, trug der Geier fort. Deswegen wurde er auch allgemein gefürchtet.

Den modernen Gummisohlen traute der Hias nicht so recht. Zumindest drei Eisennägel musste man einschlagen, um den richtigen Kontakt mit der Erde und mit der Dreifaltigkeit zu bewahren.

Er kannte die Kunst der Hypnose und tat sich leicht, eine Frau nach der anderen als Bäuerin auf den ärmlichen und unwirtlichen Bergbauernhof hinauf zu bekommen.

Auch eine gebürtige Naturnserin konnte sich seinem Banne nicht entziehen und wurde sein viertes Weib.

Als eine Magd von ihm schwanger war, wurde die erste Frau „versehentlich" von ihm erschossen. Die Aussagen eines Knechtes belasteten den Mann derart, dass er zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Wegen guter Führung wurde er nach elf Jahren entlassen. Als Zuchthäusler fand er überraschend schnell wieder eine Frau, die infolge der schweren Arbeit bald erkrankte und starb. Die dritte Frau brachte einen zehnjährigen Buben mit in die Ehe. Sie musste beim Pflügen helfen und stürzte am Rande des Ackers über einen steilen Abgrund. Zwei Tage darauf verstarb sie. Die Leute glaubten alle, dass er sie hinuntergestoßen hätte.

Nach einiger Zeit fand er auch sein viertes Weib. Von diesem lassen wir Frau Anna Pircher, geboren 1913, wörtlich erzählen:

„Mit der habe ich im Obstmagazin gearbeitet. Sie behauptete, dass der Bauer mit dem Hexenbüchlein die Frauen hypnotisiert hat. Wenn er eine gewollt hat, konnte sie sich nimmer wehren. Es war, als ob man halb schliefe. Sie hat ja gewusst, dass er hexen kann. Er war sehr böse und rücksichtslos. Da packte sie einmal ihren Koffer und wollte davongehen. Er lachte spöttisch und sagte: „Geah lei, du kimmst nit übern leschtn Knott ausi. Du muasch wiedr zrugg!" Sie kam dann nur bis zum Ende des Hofes hinunter, keinen Schritt kam sie weiter. Eine Zeitlang hat sie geweint, dann gebetet, geflucht hat sie auch und als es Nacht wurde, musste sie wieder heimgehen. Er hat sie nur ausgelacht. Inzwischen war er erkrankt und kam in ein Heim im Vinschgau. Der Doktor hat sich gewundert, dass er nicht sterben konnte. Es musste ein Pater kommen, sie mussten das Hexenbüchlein suchen und ihm geben. Der Pater betete und segnete lange Zeit, bis er endlich sterben konnte. Das hat mir seine vierte Frau erzählt.

Quelle: Sage, Brauchtum und Geschichten in und um Naturns. Maria Gerstgrasser. Naturns 2003. S. 94