DER GEIST IN DER PFARRKIRCHE

Vor vielen Jahren war beim Mesner in Mals spät abends ein Heimgarten beisammen, bei dem auch von Geistern die Rede war. Des Mesners Tochter, ein keckes Mädel, sagte, sie fürchte sich nicht vor Gespenstern. Da sprach einer: "Wenn du so tapfer bist, so zeige es uns. Geh in die Kirche und knie dort vor dem Hochaltar nieder, vielleicht halten die Geister heute einen Gottesdienst!" Das Mädchen ging zur Kirche, fand das Tor offen, kniete vor dem Altar nieder und betete drei Vaterunser. Darauf wollte sie heimkehren und fand nun die früher leere Kirche voller Leute. In einem der letzten Stühle sah sie beim Weggehen einen ganz fremden, seltsam aussehenden Mann, der ein ledernes Schmerkappel aufhatte und ganz in Andacht versunken schien. Das Mädel sprach zu ihm, er solle gehen, sie müsse die Türe schließen. Er gab aber kein Zeichen, und sie nahm ihm das Kappel vom Kopfe und eilte damit nach Hause. Als sie es erzählte und das Kappel zeigte, schüttelte der Mesner den Kopf und hieß sie das Kappel schnell zurücktragen. Die Tochter folgt, fand den betenden Mann noch in der Kirche und setzte ihm die Mütze auf. Als sie wieder heimkam, fand sie zu ihrem und aller Anwesenden Schrecken das Kappel auf dem Tische liegen, das man nicht wegbrachte. Da holte man einen Geistlichen, der lange betete und den Geist beschwor, es wieder zu nehmen. Da verschwand endlich das unheimliche Käpplein.

- Nach einer Variante, wurde im Heimgarten um Pfänder gespielt und dem kecken Madl, das sich um Geister nicht kümmerte, zur Lösung des Pfandes aufgegeben, bei Nacht in die Kirche zu gehen und drei Vaterunser zu beten. (Mals.)

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 467, S. 262