Die Maske des Dos del Cius

Vor vielen Jahren stand in Canezza auf dem rechten Ufer des Fersenbaches ein kleiner Weiler. Dort war eine Kapelle ohne Tabernakel und es gab keinen Geistlichen.

Es geschah, daß eines Tages ein Mann erkrankte. Er mußte das Bett hüten und war am Sterben. Seine Angehörigen gingen nach Pergine, um einen Geistlichen zu holen, damit er ihm die heiligen Sakramente spende.

Es war spät in der Nacht, als der Geistliche im Chorhemd und mit Stola in Cius eintraf; die heilige Wegzehrung trug er an der Brust. Er war von einigen Männern mit brennenden Fackeln begleitet. Es ging ein starker Wind. Laut heulte der Sturm und ein Schneegestöber kam vom Gebirge. Es war der letzte Fasnachtstag. Lärmend näherte sich eine übermütige Schar im Fasnachtskostüm. Sie kam von Portolo und von St. Orsola.
Als sie dem Priester begegneten, legten die jungen Leute ihre Masken ab und knieten sich nieder. Nur einer, der eine Bärenmaske trug, blieb unehrerbietig stehen.

Als der Geistliche am unbekannten Manne vorbeiging, murmelte er: "Du wirst bleiben wie du bist."

Es geschah, daß sich die Bärenmaske, wie vom Blitz getroffen, in Stein verwandelte. Der Hügel, der sich über der Talenge erhebt, wo der Fersenbach aus dem Fersental in die Ebene von Pergine hinausfließt, heißt seit jener Zeit Dos del Cius. Früher war er unter dem Namen Dos de la Rosta bekannt.

Die Alten erzählen: neben dem Walde von Cius, an den Ufern der Fersina, kann man in gewissen Nächten in der Fasnacht den Schatten einer Bärenmaske sehen, der eine Laterne trägt.

Quelle: Das Tal der Mòcheni, Aldo Gorfer, Calliano 1973, S. 47