Lomberda - die Wetterhexe.

Die Lomberda war eine Riesenhexe aus dem Welschland, groß, stark und wütig. Sie hauste jahrzehntelang am Rosengarten und verstand alles, was die Zauberkunst betrifft und die Hexenweisheit ausmacht: Wetter machen, Bauern plagen und Vieh schrecken. Die Leute in den Tälern um den Rosengartenstock herum lebten mit ihr in immerwährendem Krieg.

Aber, glaubt ihr vielleicht, die Fassaner, Welschnovner, die Tierser und Kastelruther haben sich nicht zu wehren gewusst? O, da kennt ihr die Leute da oben in den Dolomiten schlecht. Gar nichts haben sie sich bieten lassen und ganz ausgezeichnet haben sie es verstanden, dem Teufelsweib so manches zum Trotz zu tun. Das werdet ihr jetzt gleich hören.

Einmal, da rührt die Lomberda mit einem Reisbesen den Antermojasee hinter dem Kesselkogel auf, dass es nur so sprudelt und knudelt. Schon steigen die schwarzen Wolken in die Höh und überziehen den ganzen Himmel. Es blitzt schon - ein ganz gräuliches Ungewitter droht jeden Augenblick loszubrechen. Da fängt der Mesner zu Pozza im Fassatal die Wetterglocke zu ziehen an. Ein paar gelbgrüne Zucker noch am finsteren Himmel und das Wetter muss sich wieder verziehen. Bald scheint die Sonne und es ist wieder der allerschönste Tag.

Das hat die Lomberda natürlich wenig gefreut. Eine ganz unbändige Wut hat sie auf den Mesner gehabt und hat wie eine Besessene mit ihrem Besen in den See hineingeplantscht, dass das Wasser um und um aufgespritzt ist. Aber es ist nichts anderes mehr geschehen, als dass die Lomberda bis auf ihre eigene Runzelhaut waschnass geworden ist.

"Der Putzer Plentenkessel", so hat sie über die Berge hin geschrieen, "hat mir den ganzen Spaß verdorben."

Dann ahmte sie höhnend das Klingen der Glocke nach. "Geling - gelong, geling - gelong! Schell nur, du alter Plentenstotz! Nicht einmal ein bißl Abkühlung vergunnen sie mir - die Putzer Blutzer mit ihrem Gling-glung."

Das war so ihre Art, von den geweihten Glocken zu sprechen. So fluchte sie und schimpfte auf das unflätigste, wenn ihr das fromme Geläut irgendein Lasterwerk vereitelte.

"Die winselnde Katz von St. Peter, der kohlende Hund von Layen, der lurlende Tierser Stier", so wetterte sie gegen ihre Widersacherinnen auf den Türmen. "Die Umser Sumser, die tscheppernden Kastelruther Geißschellen, die quänggeten Latzfonner Muspfannen, die Brummer von Gummer, die St. Vigillen Grillen, der wampete Knödlhafen von Welschnoven", so hieß sie die vielen Glocken rings um den Rosengarten herum. Sie liebte sie, wie ein gehetzter Fuchs die Hundemeute liebt, die hinter ihm herkläfft. Wohin sie lauschte, rief ihr eine Glocke zu:

"Fort mit dir, du schiache Hex!"

Oder sie glaubte aus dem Gesänge der Glocken Spottlieder und Trutzweisen herauszuhören.

"Alle Wetter sind uns bekannt,
Lomberda, die Hex, muss aus dem Land!
Alle Wetter verjagen wir,
Lomberda, wart, dich plagen wir.
Schüttelt sie, rüttelt sie, rupfts ihr die Haar.
Haut zum Kraut sie, gebts ihr ein paar!
Necks, schrecks. becks.
Pack sie die Hex!"

so sangen und klangen die ehernen Jungfrauen auf den Türmen.

"Lomberda, Lumpin! Lomberda, Lumpin!" so höhnten die Glocken.

Wohin sie blickte, drohte ihr aus dem Tale ein Kirchturm wie ein großer Zeigefinger:

"Wart nur, du Teufelin. Trau dich nur, du Wetterhex!"

Eines Tages brach sie dort, wo jetzt das Tschagerjoch den Einschnitt in der Rosengartenkette bildet und den Wanderer von der Wajolethütte herauf lässt und hinunterführt in die Behausung der Kölner, ein großes Stück Berg heraus und schleuderte den Felsklotz in das Tal hinunter, dass die Trümmer noch heute am Kölblegg herumliegen.

Gezielt hätte sie damals eigentlich nach Welschnoven hinunter und wäre willens gewesen, das ganze Dorf mit dem gewaltigen Felstrumm zu zerschmettern, wenn nicht der "Welschnovner Knödlhafen", das heißt in unserer Sprache die große Glocke, noch rechtzeitig ertönt wäre und so die teuflische Riesenkraft in Lomberdas Hexenarmen hätte erlahmen müssen.

Ein anderes Mal wollte sie den Rosengarten nach Tiers hinunterwälzen und der Fels war durch ihre Zauberkünste bereits zu weichem Teig geworden. Heute noch sieht man das Stück, das sie schon vom großen Berg weggeschoben hatte. Es ist die zerklüftete, rissige Wand, die vor dem Gartl aufsteht. Wenn man dies Felsgestein genau betrachtet, kann man sich's ganz gut vorstellen, wie die Hexe ihre Teufelspratzen aus dem weichen Stein herausziehen wollte und ihr der Krapfenteig an den zehn Fingern herunterhing.

Da fing aber gerade der "Cyprusstier" zu brüllen an, die Glocke von St. Cyprian erscholl und aus war es mit der ganzen ruchlosen Hexerei. Der Stein erstarrte augenblicklich wieder und die Lomberda war gefangen, wie ein Wiesel, das ins Schlageisen gesprungen ist.

Zum Glück sind die Leute unten im Tale durch die herabfallenden Steine aufmerksam geworden und haben sich gleich gedacht, dass hier wieder einmal die Lomberda an der Arbeit ist. Sie hatten den guten Einfall, die Glocke weiter zu läuten, immerfort und immerzu, sechs Stunden lang, bis ein Trüpplein baumstarker Bauern oben am Berge war und die Hexe am Kragen hatte.

Hätte der Mesner, sein Weib und seine Buben unten auch nur einen Augenblick ausgesetzt, am Glockenstrang zu ziehen, so wäre es den Männern oben bei der Lomberda, so viel ihrer auch waren und so kampfbereit und rauflustig sie sich auch fühlten, übel ergangen. So aber waren sie im Vorteil und die Hexe war während des Glockengeläutes nicht viel stärker als ein anderes Weib in einer schwachen Stunde.

Das nützten die Tierser und die von Cyprian wacker aus und schleppten die Lomberda talab bis zum ersten Bauernhaus. Dort schwangen sie das Weib in einen kupfernen Waschkessel und schmiedeten sie mit kupfernen Ketten daran fest. Gegen das Kupfer hat kein Zauber Bestand. In diesem Kessel führten sie ihre Gefangene nach Tiers und dann hinunter zum Karneider Richter.

Beim Wirtshaus zum Halbweg wäre ihnen die Hexe bei einem Haar ausgekommen. Sie hätte ja auch nur ein bisschen Erde nötig gehabt, um die Gewalt, die ihr das Kupfer antat, brechen zu können. Die Männer saßen gerade in der Trinkstube und hatten den Wagen mit der Lomberda im kupfernen Kessel ohne jede Aufsicht vor dem Hause stehen. Auch der Mesner hatte das Läuten eingestellt. So sicher fühlten sich die Bauern. Kamen einige Kinder und schauten sich die böse Hexe an, erst von weitem, dann immer einen Schritt näher, endlich, als ihrer schon ein ganzer Schwarm war, sechs oder sieben Schritte vom Wagen.

Was tut da die Lomberda? Schneidet sie nicht den Kindern Grimassen und Gesichter, reckt ihnen die Zunge heraus, schiebt die untere Lippe fast eine Spanne weit vor, verzieht das Maul nach rechts und verrenkt es nach links.

Die Kinder von damals taten, was die von heute auch noch täten, sie antworteten ihrerseits mit den gleichen Begrüßungen und Höflichkeiten, und da sie auch die Hände frei hatten, bedienten sie sich auch dieser und zeigten der Lomberda lange Nasen, einhändige und zweihändige, solche mit ausgestreckten Fingern und andere, bei denen es die Finger gar eilig hatten im Zappeln und Auf- und Zubeugen.

Das konnte das Weib allerdings nicht nachmachen, weil ihre Hände an den Kessel geschmiedet waren, doch Lomberda fing nun zu spucken an.

"Pfui Teufel, du Hex! Hörst auf mit deinem Speien!"

Da fiel einem Buben ganz was Neues ein. Schon bückte er sich, um die Hexe mit Steinen und Erde zu bewerfen, und das hatte sie eben mit ihren Unarten bezweckt, nur das mit ihren Verhöhnungen heraufbeschwören wollen. Mit einer Handvoll Erde hätte sie ihrer kupfernen Bande gespottet und sich mit Leichtigkeit wieder frei gemacht. .Schon wollte der Bub in seinem Zorn die Erde auf die Hexe werfen, da kam der alte Voit gerade noch zurecht und bewirkte mit einer gut gezielten, schallenden Ohrfeige, die er dem Buben verabreichte, dass die Erde ganz wo anders hinflog.

Von da an haben die Bauern die Hexe freilich nimmer aus den Augen gelassen und sind nicht von ihr gewichen, bis sie am Gallbühel oberhalb Blumau auf dem Scheiterhaufen in Flammen aufging. Noch heute ist dort der Hexengeruch beim Wetterwechsel stark zu merken.

So war es auch recht. Ein Hexenfang glückt ohnedies nur selten, dann aber heißt es aufpassen, dass die Hexe in der Gefangenschaft nicht noch mehr Unheil anstiftet als in freier Weite, denn nicht immer läutet die Wetterglocke, wenn man sie braucht.

Quelle: Laurins Rosengarten, Sagen aus den Dolomiten, Franz S. Weber, Bozen 1914, S. 99-105.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bernd Wagener, März 2005.