Hexentanz am Latemar.

Beim Bewaller in Eggen stand eine Dirne im Dienst, ein bildsauberes Madl und tüchtig bei der Arbeit wie eine. Aber es schien doch nicht alles richtig zu sein mit ihr. Jeden Pfinztig (Donnerstag)-abend verschwand sie auf einmal, ob man nun im Heuen war oder beim Ernten, ob man in der Spinnstube saß oder auf der Bank vor dem Hause; ob es lustig herging oder traurig. Sie war, sobald es dunkel wurde, plötzlich davon.

Das fiel dem Knecht auf, denn er war in ihre roten Wangen und in ihr spitzbübisches Lachen verschossen und fürchtete, es könnte ihm ein anderer ins Gäu kommen. Er nahm sich also vor, die Augen offen zu halten und aufzupassen.

So merkte er am nächsten Donnerstagabend, dass die Dirne aus der Stube trat und in den Stall schlich. Kurze Zeit darauf geht er ihr nach. "Willst heut leicht deine Kuh noch einmal melken?" ruft er, findet aber keine Menschenseele im Stall.

"Moidl, " schreit er, "wo bist denn? Moidl, was treibst denn?" Kriegt aber keine Antwort; sucht mit der Laterne den ganzen Stall aus - umsonst.

Nächsten Donnerstag versteckt er sich schon vorher im Futterloch. Richtig kommt auch die Moidl bald herein, nimmt aus einem Mauerloch eine kleine Spanschachtel, schmiert sich mit der Salbe, die darin ist, die Stirne, die Hände und die Füße, streckt dann die Arme aus und ruft halblaut:

"Jetzt auf und davon,
oben aus und nirgends an!"

Im nächsten Augenblick war sie verschwunden.

Der Jaggl schüttelt den Kopf und schlieft aus seinem Versteck. Wirklich liegt das Schächtelchen mit der Salbe noch in der Mauer. Da treibt ihn der Wunder, sich auch einzuschmieren.

"Wie hat sie jetzt gesagt", besinnt er sich und sagt dann das Sprüchl auf, das er gerade gehört hat.

"Jetzt auf und davon,
Oben aus und nirgends an!"

Da war es ihm, als fliege er wie ein Vogel durch die Luft, dass ihm Hören und Sehen verging und er kaum noch Atem schöpfen konnte.

Dann stand er auf einmal auf einer schönen, tellerebenen Almwiese, Hunderte von Fackeln brannten im Umkreise, eine wunderbare Musik erscholl und innerhalb des Kreises tanzten und drehten wohl an die tausend Paare, Hexen und Hexenmeister.

Eben trat eine junge Hexe auf ihn zu und lud ihn ein, mitzuwalzen. Er folgte ihrem Winke. Doch der Hexe musste wohl das und jenes an seinem Gehaben nicht recht stimmen, sie führte ihn nach dem Tanze zu einem alten Hexer. Der wollte seinen Namen wissen.

"Bist heute das erste Mal beim Spiel? Wer hat dich denn mitgenommen?"

"Die Moidl beim Bewaller", log er zur Antwort.

"Dann stimmt's schon", nickte der Alte zufrieden. "Hier, schreib deinen Namen ein, dann gehörst zur Gesellschaft."

Mit diesen Worten schlug er ein dickleibiges Buch auf und gab dem Jaggl eine Hahnenfeder in die Hand, ihre Spitze troff von Blut. Mit der sollte er schreiben.

"Jesus, Maria und Josef, " dachte sich der Knecht, "jetzt ist es um mich geschehen."

"Jesus, Maria, wie komm ich da davon?"

Und so schrieb er in seiner Angst anstatt seines Namens den Namen "Jesus" in das Buch.

Da zuckte ein grässlicher Blitz vom Himmel, ein nicht enden wollender Donnerkrach folgte nach. Alles war finster, der ganze Hexentanz verschwunden.

Der Jaggl lag auf einer Steinlammer im Latemar. Als nach langer Nacht endlich der Morgen graute, begann er den Abstieg und kam nach halsbrecherischem Klettern erst spät am Abend nach Hause.

Die Moidl war noch nicht da und kam überhaupt nicht mehr zurück. Auch da und dort in der Näh und Fern erzählte man, dass um diese Zeit ein Mann oder ein Weib verschwunden sei.

Niemand wusste, wohin sie gekommen. Es fiel den Leuten wohl auf, dass alle diese Vermissten seit ein und derselben Nacht abgingen, doch niemand konnte das erklären, nur der Jaggl beim Bewaller dachte sich seinen Teil.

Quelle: Laurins Rosengarten, Sagen aus den Dolomiten, Franz S. Weber, Bozen 1914, S. 83-86.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bernd Wagener, März 2005.