DAS GELÜBDE

Als die Pest das Land verheerte, gelobte ein Ritter auf Karneid, er wollte eine Wallfahrt zur Muttergottes nach Weißenstein tun, wenn die Seuche sein Schloß verschone. Der Himmel erhörte sein Versprechen, und die Burg blieb verschont.

Als die Pest vorüber war, nahm er es mit der Wallfahrt nicht so ernst. Allein der Himmel läßt nicht spaßen: Ein Jahr, nachdem er das Gelöbnis gemacht hatte, starb er plötzlich an der Pest, und all die Seinen folgten ihm bald ins Grab. Dem Gelübde, das er lebend nicht erfüllt hat, muß er als Geist nachkommen. öfters sahen fromme Wallfahrer, die noch spät auf dem Wege waren, den Ritter mit seiner Familie den Berg hinanreiten. (Bei Bozen.)

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 454, S. 256