DER REUMÜTIGE SCHELM

Zum wundertätigen, heiligmäßigen Pfarrer Georg Stocker in Spinges kam einst ein Roßschelm aus dem Tale gestiegen. Er trug die Absicht in sich, die Allwissenheit des Herrn, von der das Volk munkelte, in der Beichte auszuprobieren.

Der Schelm log dem Beichtvater verschiedenes vor, wie er ihm auch eine Menge Sünden verheimlichte. Nach beendeter Beichte lachte er sich schelmisch ins Fäustchen, denn er hatte "bärig" gelogen. Je weiter er aber gegen Schabs kam, desto schwerer wurde ihm ums Herz und bei den hohen Lärchen reute ihn seine Tat derart, daß er umkehrte und nach Spinges zurückging.

Abermals betrat er den Beichtstuhl und wurde vom Pfarrer freudig begrüßt; er habe schon gewußt, daß er nochmals kommen würde. Der Schelm legte nun eine reumütige, gültige Beichte ab, und der Pfarrer bot sich an, ihn am Heimweg bis zum Missionskreuz zu begleiten.

Dort angelangt, hob der Priester eine Steinplatte weg und forderte den Begleiter auf, in den Schlund, der sich auftat, hinabzuschauen. Der Schelm tat, wie geheißen, schlug ein Kreuzzeichen und wich entsetzt zurück. Pfarrer Stocker hatte ihn einen Blick in die Hölle tun lassen!

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 116