HIRTENKÜNSTE

Zuhinterst in Sexten liegt die Hochalm Innerfeld, welche jährlich mit Galtvieh befahren wird. Doch auf dieser schönen Alm treibt sich ein gespenstiges Wesen herum - das böswillige Innerfeldmanndl - ein von den neuen Hirten gefürchteter Gast. Doch die älteren Hirten sind ihn gewohnt und wissen, wie man ihn vertreiben kann - nämlich durch wildes Fluchen!

Gesehen hat das Innerfeldmanndl noch keiner, nur das dumme Vieh vermag seine Anwesenheit wahrzunehmen, welches dann brüllt, springt, stößt und zittert, kurz: wie rasend herumpoltert.

Seit uralten Beobachtungen kommt dieser unsichtbare Kobold am ersten, zweiten oder dritten Tage, sobald die Herde im Frühjahr auf die Alm eingeführt und in den "Pfarrer" eingestellt wird. Pfarrer heißt man in dortiger Gegend die Häger (eingezäunte Gehege) bei der Almhütte, darin das Vieh gemolken wird und in die man es bei der Auffahrt hineintreibt, um es zum überblick beisammenzuhaben, dann wird es erst auf die bestimmten Weiden frei gelassen.

Die drei ersten Tage im "Pfarrer" sind nun die verhängnisvollen. Da schrecken die Tiere zusammen, und das zeigt das Nahen des unheimlichen Gastes an; nun ist's Zeit zu helfen. Die Hirten schreien einen ganzen Schwarm von Scheltworten, Schimpfnamen und Flüchen, je ärger desto besser - und wenn die "Viecher" nun rebellisch werden und aus dem "Pfarrer" springen, dann ist alles vorbei, sie sind außen auf einmal ruhig und zufrieden und, was das beste ist, sie sind für immer gerettet vor neuer Tücke.

Es scheint, daß das Innerfeldmanndl dem Vieh in die Ohren bläst oder ihm außerdem unangenehme Empfindungen verursacht, denn man gewahrt oft ein Drehen neckender Wirbelwinde um die Füße des Viehs, daß am Boden liegende Blätter und Halme auffliegen und sich wie Kreisel drehen, was das Vieh nicht leiden kann und sich deshalb wild und unsinnig gebärdet.

Der Galtviehhirt Andre Steidl von Innichen aber, der verstand es, als der bravste Christ, so mörderlich zu fluchen und den Teufel aufzubegehren, wie kein Straßenfuhrmann und kein Droschkenführer und gar niemand, z. B: "Höllen Sakara Teufl! Teufl! Teufl! Teufl! Vermaledeiter Höllenteufel und Sakara-Welts-Höllen-Luader, verdammt's!" Da "derschrak" das Innerfeldmanndl und das Vieh und gaben Fried', und die wilden Viecher sprangen über den Zaun und wurden drüben ruhig und fromm wie Lämmer und haben gefressen.

Quelle: Alpenburg, Johann Nepomuk Ritter von, Mythen und Sagen Tirols. Zürich 1857. S. 352 f.