DER VERSCHULDETE MANN

Ein Bauer hatte sein ganzes Vermögen "verwusert" und viele Schulden gemacht, so daß ihm von vielen Seiten die Bezahlung abgefordert wurde. In dieser Not entschloß er sich, zu einem berüchtigten Hexenmeister zu gehen, welcher schon vielen aus einer ähnlichen Verlegenheit geholfen hatte, Als er zu dem Manne gekommen war und ihm sein Anliegen vorgetragen hatte, besann sich dieser eine Zeitlang, dann endlich sagte er: "Wenn du morgen mit mir gehen willst, so will ich dir schon aus deiner Not heraushelfen."

Der andere erklärte sich bereit, er wolle dies recht gerne tun. Am andern Tag nun führte ihn der Hexenmeister einen langen Weg durch Wälder und Felder, bis sie endlich zu einer abgelegenen Stelle kamen. Wie staunte aber des Hexenrneisters Begleiter, als er einen Mann mit Hörnern auf dem Kopfe, von einer Menge Menschen und Teufeln umgeben, auf einem Throne sitzen sah! Er wollte sich nicht näher hinzuwagen, aber der Hexenmeister flößte ihm Mut ein und sprach: "Er tut dir nichts zuleide!" Nun traten sie vor den Thron hin. Der Hexenmeister nahm das Wort und sprach, indem er auf den Begleiter hinwies: "Hier bringe ich dir einen getreuen Diener. Er hätte aber eine Bitte an dich, nämlich daß du ihm Geld geben möchtest." Der Angeredete aber antwortete: "Ich sehe, dieser ist ein Christ. Diese haben mich schon oft bei der Nase herumgeführt. Sobald sie nämlich das Geld erhalten hatten, haben sie mir wieder abgeschworen."

Als ihn aber der Hexenmeister noch weiter verteidigte, befahl endlich der Teufel dem armen Mann, der Hl. Dreieinigkeit abzuschwören. Sobald er dies getan hatte, befahl ihm der Teufel auch, der seligsten Jungfrau, seiner Erzfeindin, abzusagen. Der Mann tat dies nicht, sondern sagte: "Die Mutter Gottes hab ich immer verehrt und will sie auch noch verehren."

Da wurde der Teufel zornig und befahl seiner Umgebung, den sich Weigernden zu zerreißen. In dieser Not rief der Bedrängte die allerheiligsten Namen an. Kaum hatte er dies getan, so stand er allein an diesem Orte, und der Teufel, seine Umgebung und der Hexenmeister waren verschwunden. (Passeier.)

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 760, S. 430