Der Meraner Bauer und die Sommerfrische.

Soomerfrische Verdins, Carl Jordan

Kaum haben die drei "Eismander" ihre Herrschaft aufgegeben und der Schnee fängt schon an sich bis auf die höchsten Kuppen zurückzuziehen, so denken unsere Bauern, Besitzer wie Knechte daran, "wia kanntn miar's denn unstölln, a fezzele in die Summerfrisch zu kemmen."

Manche Leute sind ungemein erfinderisch, um eine Ausrede zusammen zu bringen

für die Nothwendigkeit einer Sommerfrische, die für die meisten bäuerlichen Einwohner ein wahres Herzensbedürfniß ist. "Mei", sagt der Eine, "muast di woul döchter a amôl a fezzele ôschwänzn". Er ist in der festen Ueberzeugung, daß man sich nur "in an Badl ôschwänzn" kann, daheim einen Zuber mit Wasser füllen und ein Bad nehmen — man versuche nur einmal auf einem Bauernhof ein solches Ansinnen zu stellen, die Antwort wird lauten: "Nua, Zôch nôrreter, wôs diar nit infôllt! Host sou eppes deiner Lebtig amôl keart!"

Eine sehr beliebte Vorbereitung, um die Notwendigkeit einer Sommerfrische darzuthun, ist, daß den Betreffenden "af a môl eppes ungschossn ist." Er meint damit einen plötzlichen Schmerz in irgend einem Körpertheile. Sehr gut ist es auch, sich "a Gader" (Sehne) zu überstrecken.

"Teuxl, Mensch, woast, mi ist eppes ungschossn und i brings niamer aweck. Und in der gônzn Kripp aus schuißts." Selbstverständlich wird auf solcher Klage voller Mitleid sofort "a Badl" in Vorschlag gebracht, in welchen wahre Wunderkuren an Menschen vollbracht wurden, "denen's a die gônze Kripp ausgschossn ist". Zuerst wird eine kleine Vorkur mit einer " Schmirb" gemacht, die " veart in der tscheggetn Kua" so gut gethan hat, und nachdem dies nicht hilft, geht man in die Sommerfrische.

Ich will nicht sagen, daß alle die vielen Patienten in den Sommerfrischen Simulanten seien, es ist aber eine Eigenthümlichkeit [Eigentümlichkeit] , daß oft unsere unabhängigsten Bauern ein Leiden simuliren [simulieren], um eine Entschuldigung für die Sommerfrische zu haben.

Das Bedürfnis in die Sommerfrische zu gehen, nimmt im Burggrafenamte immer mehr zu, so daß es schon nicht mehr zu den Seltenheiten gehört, wenn sich Knechte und Mägde eine solche beim Dienstantritte ausbedingen. Und die Aermsten haben recht. Sie haben keine Zeit auszuruhen, denn der Feiertage sind so wenige im Jahre; kaum 120 - 125.

Badstube, Carl Jordan

Den ganzen Sommer hindurch begegnet man an Samstagen auf allen Wegen heimkehrenden und an Montagen auswandernden Sommerfrischlern. Die Verlegung des Ausziehens auf den Montag und der Heimkunft am Samstag dürfte mit der besseren "Suntigkost" im Zusammenhange sein. Die Weiber mit einem bunten Kopftuch, "an Feirtigtschoap und a bessers Fürtig" an, ihre kleinen Bedürfnisse "a unköbts Gstriket, a Büx mit Kaffeepulver und in ar Gstôttl an Zugger, a Zigouri-Paktl und 's Gebetbuach" im kleinen Handkorb. Dazu kommen noch ein zweites Paar Strümpfe, einige Taschentücher und vielleicht "die Heimondskinder oder der Ritter Kuno von Drachenfels" u. dgl. als Lektüre.

Der Mann hingegen pflegt sich für die Sommerfrische nur ins "Hôlbfeirtiggwônd" zu werfen und zwar aus Rücksicht für seine Garderobe, weil er in der Sommerfrische den ganzen Tag über in allen möglichen und unmöglichen Stellungen herumsitzt und liegt. Seine Joppe übergeworfen, im unten zugebundenen Ärmel derselben ein Stück Speck, Tabak und ein Reservesacktuch, wenns hoch hergeht, so wandert er mit der "Umbrell" unterm Arm seines Weges.

Voller Neid schauen ihm die arbeitenden Nebenmenschen nach und knüpfen vielleicht auch ein auf selbstgemachte Erfahrungen gestütztes, belehrendes Gespräch an und geben ihm noch die Mahnung mit: "Fein Zeit glôssn, Mensch." Rabbi ist seiner Quellen wegen sehr gesucht und das Rabbiwasser steht im Rufe "in Weinstuan auzuleasn", der sich nach der Meinung vieler im Magen bildet, vom vielen "Weintrinkn". Darum "thian die Leut in Langes ôlm saur auergôrgzn", somit ist es die höchste Zeit, nach Rabbi zu wandern. Auch andere Bäder erfreuen sich eines guten Besuches unseres Bauernvolkes. So z. B. Mitterbad im Ultenthale, eigentlich mehr das sogenannte "Lôtterbad" in der Nähe von St. Pankraz, ferner "'s Völlanerbadl", dann Verdins, Schgums u. s. w. Alle diese Badeorte werden meistens von wirklich Leidenden aufgesucht.

Wir haben aber auch bäuerliche Luxus-Bäder! So Oberhaus, den Tischglboden, die Tschatter u.a.m.

In Oberhaus sind zwei Quellen ohne jeden besonderen Beigehalt, kaum 4 Meter entfernt, also entschieden ein und dasselbe Wasser. Trotzdem ist eines "a Môgn-wôsser" und das andere "für süst Presthôfte".

Auf die frischen Gebirgsquellen haben unsere Bauern ein großes Vertrauen. Ist einer recht krank, so tröstet er sich: "Wenn i lei a môl a guats Wösser derroach und an Kröß in der Niachter". Ein ganz besonderes Vergnügen macht es unseren Bauern im Bewußtsein, nichts arbeiten zu müssen, von der Anderen Arbeit und Plage zu reden. So hatte ein Meraner Bauer mit der Musik die Reise zum Wiener Schützenfest mitgemacht und er wußte der prächtigen Kaiserstadt keinen größeren Reiz abzugewinnen, als den einen Gedanken, sich nach dem gemeinschaftlichen Mittagessen einige Male ganz unbändig zu strecken und dann die Bemerkung hinzuwerfen: "Gea i a môl a fezzele liegen; Teigl, werdn de schwitzn derhoamet ban Gruamet".


Der Meraner Bauer und die Sommerfrische, Carl Jordan

Der "Tischglbodn" auf der Tallner Alpe ist, wie seinerzeit Homburg und Wiesbaden, der Sammelpunkt der "wifferen" bäuerlichen Welt, die einem galanten Abenteuer nicht aus dem Wege geht. Es geht da manchesmal hoch her in diesen einfachen Hütten, bei Gesang, Zither und Tanz, und der Refrain des alten Tiroler Liedes: "Auf der Alm gibts kuan Sünd" ist auf der Tallner Alpe entschieden nicht gedichtet worden.

In der Tschatter und Oberhaus macht sich der behäbige Bauer bequem und breit. Ernst, wie der Burggräfler fast immer ist, sitzt er den ganzen Tag in der Sonne, oder "môcht a Spielele, a kluans Perlôggerle, oder er thuat "a Halbele" auf der Kegelbahn aus. Zum Mittagstisch kommt "Nudlsupp und Wurst und a Bratele". Letztere Speise spielt unter den Gourmands unserer Bauern eine große Rolle, darum gebraucht er auch für das Wort Braten den Kosenamen " a Bratele". Unter dieser Benennung meint er aber immer einen Kalbsbraten; Braten anderer Fleischsorten nennt er schon bestimmt, z. B. "a Bockenes", "a Schweinernes", "a Gstraunenes". Plenus venter non studet libenter, und da unsere Bauern das Nachdenken beim müßigen Dasitzen "studiarn" nennen und dies gewiß nicht sehr anstrengend ist, so legt er sich nach Tische irgendwo im Schatten flach auf den Rücken, deckt den Hut übers Gesicht, das Sacktuch über die nackten Knie, "wegn die Muggn" und träumt süß noch einmal — vom "Bratlessen". Wenn er aufwacht, ists schon wieder Zeit zur "Märend" und das Nachtessen nicht mehr ferne, dann geht er in die Badekapelle, verrichtet sein Abendgebet und endlich wandert er "obm au ai liegn".

Quelle: Der Burggräfler, Bilder aus dem Volksleben, Karl Wolf, Innsbruck 1890, S. 113ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, März 2006.
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