Wetterhexen

Ein Hauptstück hexenhafter Betätigung ist das Wettermachen. Solches ist von allen „Teufelsweibern" "mit und ohne Marter" einbekannt worden unter genauer Schilderung, wie's gemacht wird: Die Hexe „strudelt" (quirlt) das Wasser eines Baches oder Sees, wirft Kohlen oder Unrat hinein; andere schleudern einen Kieselstein hinter ihren Rücken gegen Sonnenuntergang; man kann auch Schweins-haare in einem Hafen sieden; statt dieser läßt sich sogar der Teufes selber in den Topf tun, Deckel drauf, dann muß die Hexe unter das Gefäß blasen und mit dem Meister im Kessel reden, wie und wo Wetter gemacht werden soll usw.

In Hagelkörnern findet man oft die sogenannten Hexenhaare; man soll die abgeschnittenen Haare verbrennen, sonst benützen sie die Hexen zum Wettermachen.

Schuld am Radl- oder Wirbelwind ist immer eine Hexe und dagegen wird St. Oswald mit Nutzen angerufen.

Wirft man ein Messer ins Gewitter, wird eine Hexe verwundet.

Der Töllgraben (196) hatte die Brücke vertragen und der Wegmacher war gerade dabei, mit seinen Leuten eine neue über den Runst zu schlagen, als die alte Köfelin daherkam und ihn bat, einige abgefallene Späne und „Schoaten" aufklauben zu dürfen. Der Meister gab ihr die Erlaubnis und fügte lachend bei: „Wenn du machen kannst, daß in einer Woche die Brücke wieder vertragen wird, bekommst du einen ganzen Korb voll Späne." Die Alte nickte zustimmend. Wirklich ging nach acht Tagen ein schreckliches Hochgewitter nieder und der angeschwollene Gröben [Graben] riß die neugebaute Brücke fort. Als der Wegmacher neuerdings beim Töllgraben arbeitete, kam die Köfelin froher Dinge zu ihm und bat um das Versprochene. Da packte den Mann ein geheimes Grauen und er ließ sie Späne nehmen, soviel sie wollte.

In der Partschinser Gegend (197) weiß man sich von der Steiner Geada gar manches zu erzählen. Einmal machte die alte Hexe ein so furchtbares Wetter, daß es bald das Dorf und die Kirche St. Helena vertragen hätte, während beim Greiterhofe, der oberhalb der Ortschaft liegt, die Sonne schien und der Himmel glasheiter war.

Diese Hex (198) hauste in den Steinlammern ober dem Wasserwale und nährte sich von Würmern, Mäusen und Ratten. Sie hatte ein eigenes Sprüchl, um diese zu locken. Auch soll sie die geheimen Namen dieser Tiere gewußt haben.

Abgesehen von den Hexen, Hexenmeistern und Schwarzkünstlern gestanden die sogenannten Zauberknaben, Gewitter, Blitz und Donner gemacht zu haben. Dies waren jüngere Männer, Strolche, Hausierer, Kräutersammler, die auf der Folter ihre Verbindung mit den Mächten der Hölle zugaben und es namentlich im Jahre 1653 arg trieben, in dem der ganze Meraner Bezirk von Mißwuchs, Teuerung, Wetterschäden, Überschwemmungen und Erdbeben heimgesucht wurde. Im Jahre 1674 klagt Bürgermeister und Rat der Stadt, daß zwölf Gerichte ihren „Malefiz-Schub" hieher brächten, so daß die Gefängnisse nicht mehr hinreichend seien; besonders kämen immerfort Zauberer und Wettermacher an, die nach eigenem Geständnis viel Schaden angerichtet hätten. Wie half und hilft sich vielfach auch heute noch das Volk gegen all diese irdischen, über- und unterirdischen Gewalten?

Vom vertrauensvollen Anrufen heiliger Patrone, von verlobten Wallfahrten in Gnadenorte, von der Bittwoche im Mai, von den Traubenprozessionen mit dem hl. Urban, von den Bittgängen mehrerer Dörfer, um die Wetterherren gnädig zu stimmen, haben wir im Vorhergehenden schon gehört; ebenso von der Wetterkirche auf dem Ifinger zu Ehren St. Oswalds und der am Fuße des Hirzer für St. Johann und Paul. Andere solche Kirchlein sind errichtet auf besonders den Stürmen ausgesetzten Höhen, die im Wetterzug liegen, wie z.. B. St. Hippolit bei Lana, wo schon öfters Mesner, als sie wetterläuteten, vom Blitze getötet wurden. Auf einsamer Höhe thront auch das Kirchlein St. Helena im Ultentale. Auch geht der Vers um:

"St. Ursula auf der Platt.
St. Kathrein in der Schart,
St. Vilgen (Vigil) auf dem Joch
Halten alle Wetter auf
Und treiben die Hexen ins Loch."

Hans Matscher, Wetterhexen

Die Hexen halten gerne ihre Zusammenkünfte auf wetterumtosten Höhen ab, so am Kratzberg hinterm Ifinger (199). Hier kommen die Hexen von weit und breit zusammen, üben ihre höllischen Künste, machen Wetter und verderben Land und Leute. Nur einige hochgeweihte Wetterglocken können diesem Treiben Einhalt tun.

Auf solchen Höhen und Hügeln hat fromme Gläubigkeit zum Schutze gegen Unwetter hohe "Wetterkreuze", meist mit drei Querbalken, aufgerichtet. Der Volksglaube erblickte in diesen Kreuzen eine Schutzwehr gegen die tückischen Zaubermächte. Man führt auch noch einen anderen Grund für die Errichtung der Wetterkreuze an: Viele christliche Nachkommen der Heiden trugen jahrhundertelang abergläubischen Hang zu gewissen Bäumen und Hügeln, die ihre Vorväter heilig gehalten und wo sie vorzüglich der wohltätigen Sunna mit strahlendem Rade und den Wettergöttern Opfer gebracht hatten. Um solchen Rückfall in das Heidnische zu verdrängen, setzte man an die Stelle der Bäume Wetterkreuze und auch Kapellen, Heiligen geweiht, die mit den entschwundenen Göttern gewisse Ähnlichkeiten hatten, wie z. V. Katharina mit dem Rade (Katharina in der Scharte).

Wenn trotzalledem sich Wolken finster zusammenballen und ein hagelschwangeres Gewitter droht, eilt der Mesner mit den Turmknechten hinauf in die Glockenstube und beginnt das Wetterläuten.

Als die Glocken eingeführt wurden, konnte man bald hören, daß alles Heidnische und die Hexen den Glocken spinnefeind seien. Man nahm sie darum unter die tönende Wehr auf, teils, weil sie geweiht waren, teils, weil sie Lärm machten. Die heidnischen Vorfahren verteidigten sich nämlich gegen die Wetter mit Geschrei und mit Lärminstrumenten. Auch wurden die ersten Glocken bei Gewittern wohl geläutet, um die Neubekehrten von der Angst zu befreien, Thor oder Donar nahe unter Blitz und Sturm mit seiner Rache. Man glaubt, daß eine Glocke das Land so weit vor Hagel und Blitze schütze, als ihr Klang gehört werde. Vom Mesner hängt sehr viel ab, ob er rechtzeitig zu läuten anhebt. Er kann nicht zu früh beginnen und man soll an möglichst vielen Orten zugleich läuten, einmal, weil's überhaupt besser ist und dann, damit das Wetter nicht von einem Dorfe ins andere geläutet werde, sondern sich rasch aus der ganzen Gegend verziehe.

Besonders die plötzlich hereinbrechenden Gewitter sind von Hexen oder Zauberern gemacht, damit die Glocken zu spät kommen.

Die Hexen schieben an den Hagelwolken, bis sich diese über die vermeinten Weinberge und Acker entleeren können; die Glocken kämpfen dagegen an und schieben sie über die Berge zurück.

Gegen den geweihten Klang haben die Hexen den größten Widerwillen. Der berühmte Prediger Gailer von Kaisersberg (gestorben 1510) nennt die Glocken „die Trummeten Gottes", bei deren Ertönen die Hexen fliehen.

In den Jahrhunderten des Hexenwahnes verdächtigte man die Buhlerinnen des Teufels, daß sie Mensch und Tier auch Krankheiten und Seuchen anwünschen könnten, und als bei uns Anno 1732 eine verderbliche Seuche, die neun Tage dauerte, unter dem Hornvieh herrschte, wurde alle Tage mit den Glocken geläutet, ja sogar große und kleine Geschütze abgefeuert, um die Krankheit zu vertreiben.

Das Wetterschießen bei Gewittern ist in manchen Ländern heute noch in Gebrauch; hierzulande ist es gänzlich abgekommen, muß aber in früherer Zeit ebenfalls geübt worden sein, wie aus einem Meraner Ratsprotokolle des Jahres 1743 hervorgeht. Demnach ersuchte der Vikar der Tiroler Pfarre, Johann Veit Tschiderer, die Stadt, vier Mörser „zu weckschießung des hogewitters auf den Kiechlperg herzuleichn." Die Stadtväter willfahrten der Bitte, gaben aber dabei zu verstehen, daß die „Tyroller" sich selber künftig Mörser anschaffen sollen, weil sie die Stadt zu eigenem Gebrauche nötig habe.

Auch das Wetterläuten mußte eine Zeitlang unterlassen werden, weil es vom Jahre 1783 bis 1815 zweimal behördlich verboten wurde, zuerst unter der josefinischen, dann unter der bayerischen „Illumination", im letzteren Jahre veranstaltete die österreichische Regierung eine Umfrage wegen Wieder-einführung des Läutens. Für dieses sprach sich ein Gutachten u. a. folgender Gründe wegen aus: die Glocken hätten infolge des ihnen erteilten Segens die Kraft, böse Geister zu bekämpfen, denn sie fürchteten ihren Schall; man traue ferner dem Wetterläuten eine gewisse moralische Kraft zu, denn es gäbe Trost und Ablenkung und der Lärm der Glocken mildere den Lärm des Gewitters und damit auch die Furcht. Nicht alle Glocken haben die gleiche Kraft, Wetter zu verscheuchen. Außer der berühmten Sankt Paulserin steht im besten Rufe die Lananer „Mooskuh" und und die große Marlingerin. Diese wurde 1847 von Chiappani aus der alten gesprungenen umgegossen und dem Gusse Silber beigemengt. Dazu spendete jeder Bauer einen Silbergulden und jeder Knecht einen Zepf.

Die Glocke wird zu den Größen des Dorfes gezählt:

"Der Popp,
Die große Glogg.
Der Weltenzwinger,
Der Fackenringer."

Der Popp ist ein Großbauer; der Weltenzwinger ist das höchste Gut in der gotischen Monstranz, die ein Graf Fuchs von Lebenberg schenkte; der Fackenringer ist der hl. Antonius Einsiedl, dem zu Ehren 1648 eine Bruderschaft gestiftet wurde. Die alte Glocke durfte nur für den Herrgott, nicht für Verstorbene geläutet werden. Als ein Papst verblichen (200), gab der Pfarrer nicht nach, obgleich die Gemeindevorstehung Widerspruch erhob: die Große mußte ertönen und — — zersprang während des Läutens.

Wie von vielen anderen Glocken erzählt man auch von der Marlingerin, daß man sie gegen schönes Geld verkaufen (201) wollte. Doch auf der abschüssigen Straße in die Ebene herab blieb das Fuhrwerk stecken; die Marlinger spannten alle ihre Ochsen und sich selber an, aber die Glocke war nicht vom Fleck zu Kriegen und summte:

"Anna Maria heiß ich,
Alle Wetter weiß ich.
Alle Wetter vertreib ich,
Im Marlinger Turm bleib ich."

Nun wußte man allerdings Bescheid, kehrte den Wagen aufwärts und ein Paar Ochsen zog mit Leichtigkeit die Glocke ins Dorf zurück. Das Gleiche wird von der großen Lananerin erzählt.

Die Engel am Glockenknauf (202) lassen beim Läuten ihre Posaunen mit erschallen und bewirken dadurch den herrlichen Ton. Wer begnadete Ohren hat, hört das Musizieren der kleinen Englein.

Der uns schon bekannte Schwarzkünstler, das Pfeifer Hoisele (203), wollte es den Tschermsern wieder einmal zeigen. Er führte mit vier schwarzen Katzen und zwei Tattermanndeln [Feuersalamander] Wasser zu einem unterirdischen See in der Rafeinwand, um den See zum Ausbruch zu bringen. Nur die Marlinger „Große" konnte dem Treiben Einhalt tun und die Lananer „Mooskuh".

Diese Glocke (204) hatte einst einen so hellen und schönen Ton, daß man sie über alle Berge hörte. Ein König wollte sie deshalb kaufen und mit Gold aufwägen, aber die Lananer wollten nicht, weil die Mooskuh gegen das böse Wetter gar gut war. Dies ärgerte den stolzen König so sehr, daß er einen Eisennagel in die Glocke schlagen ließ, den man noch sieht. Seitdem hat sie einen dumpfen Ton. Die Lananer rühmen sich noch einer viel älteren Glocke. Vor undenklichen Jahren (205) ist nämlich ganz Lana von einem Bergsturze überdeckt worden. Nach vielen Jahren, als auf dem Schutte die Leute sich neuerdings angesiedelt hatten, mangelte einem Bauern eine trächtige Sau. Nach langem Suchen fand man sie im Walde droben und in einer Glocke, die daneben bis an den Rand in der Erde stak, fünf frischgeworfene Ferkel. Die Glocke wurde ausgegraben, in den Turm gehängt und das Volk nannte sie lange Zeit „die Ferkelsau".

Bei Oberhaus lebte ein frommer Einsiedler (206), der einmal im Traume sah, der Papst schwebe in großer Lebensgefahr. Da beschwor er, voll Sehnsucht das Haupt der Christenheit zu retten, einen Geist und fragte ihn, wie schnell er ihn nach Rom tragen könnte. „So schnell wie das Wasser". Zu langsam. Ein zweiter Geist: „So schnell wie ein Vogel." Zu langsam. Ein dritter Geist: „So schnell wie der Wind". Ja, mit dem war es zu machen, mit ihm flog der Einsiedler nach Rom und rettete den Papst vor Meuchelmord. Zum Danke erhielt der Klausner eine schöne, hochgeweihte Glocke, die der Windgeist wider seinen Willen samt dem Einsiedler nach Hause tragen mußte. Schon waren sie nahe bei Oberhaus, als dem Geiste die Last zu schwer, wurde. Er ließ sie zu Boden fallen, daß sie in viele Stücke sprang. Der Klausner schenkte das Metall den Partschinsern, die ihre Wetterglocke daraus gießen ließen.

Tönt die Wetterglocke vom Turme, eilt bei den ersten Klängen ein Priester zur Kirche, um dort den Wettersegen zu sprechen.

Doch wie von den Glocken glaubt das Volk auch von den Geistlichen, daß es darunter einige gäbe, deren Segen besonders wirksam sei. „Wettergerecht" nennt der Bauer solche Auserwählte, die meist Franziskaner oder Kapuziner sind. Es gibt auch ein geweihtes sogenanntes Kapuzinerpulver, das die Bäuerin bei aufziehendem Gewitter in die Glut streut. Wer es nicht zur Hand hat, gibt geweihte Palmkätzchen oder „Dreißgenkräuter" in die Herdglut.

Die außerordentliche Macht gegen den Teufel und seine Dienerinnen hat die „Pater" natürlich auch mit der Sage verknüpft.

Bei der hohen Weißen am Schnalserjöchl saßen drei Hirten (207) und bemerkten, wie zwei Kapuziner den Langsee hergingen und ein Frauenzimmer in ihrer Mitte führten. Jeder von den beiden hatte ein Buch. Plötzlich standen sie still, einer machte ein Kreuz, dann warfen sie das Weib in den See. Es war eine Hexe, die rasch untersank, und die Pater kehrten wieder um. In der Stadt war einmal während des Faschings eine Hochzeit (208). Beim Mahle wurden frische Feigen und Pfirsiche aufgetragen und man konnte sich nicht genug wundern, daß mitten im Winter solches Obst zu haben wäre. Einem Franziskaner, der an der Tafel saß, kam die Sache nicht geheuer vor und er benedizierte im Stillen das Obst. Allsogleich verschwand der trügerische Schein: frische Roßfeigen und Nußschalen lagen im Teller. Es war Hexenobst gewesen.

Quelle: Der Burggräfler in Glaube und Sage, Hans Matscher, Bolzano 1933, S. 188ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Dezember 2005.
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