"Johannis-Sunnawendt"

Mittlerweile hat die Sonne ihren höchsten Punkt am Himmelsgewölbe erreicht und Sonnwend ist da. Das Volk aber versteht darunter nicht den 21., sondern den 24. Juni: Johannistag; im oberen Etschtale sagt man geradewegs „Johannissunna-wendt". Dieses Zusammenschweißen der heidnischen Sonnwendfeuer mit der christlichen Johannisfeier hat manche Reste uralter Bräuche und abergläubischer Vorstellungen in unsere Tage herübergerettet.

In der Johannisnacht vollzieht sich manch geheimnisvoller Zauber. Man vermag durch allerlei Künste und Orakel in die Zukunft zu blicken, was verliebte oder heiratslustige Mädchen nützen, um ihr Schicksal in diesem Punkte zu erforschen; die Erde strahlt wundersame Kräfte aus, sie tut sich auf und man kann in ihr Inneres blicken, wo sonst so streng Gehütetes ruht und wo heute die Schätze "blühen", d. h. emporsteigen, daß sie dem Menschen erreichbar werden; die Hexen treiben in dieser Nacht viel Unwesen und sammeln die Zauberkräuter während des abendlichen Ave-Maria-Läutens, das ein gewiegter, erfahrener Mesner darum möglichst abkürzen wird: die Menschen vermögen heute wie jener Hausknecht beim Stern die Hexen zu erkennen und sich gegen ihr Treiben zu schützen.

In einer solchen Nacht schläft natürlich der Teufel am allerwenigsten. Nach der Bibel geht er ja auch sonst herum wie ein brüllender Löwe, allerdings im Burggrafenamte nicht in dieser auffälligen Verkleidung, sondern als schwarzer Hund mit feurigen Augen, als kohlschwarzer Rabe (drum gilt dieser Vogel als ein Teufelsvieh) oder in der Nacht als Habergeis (eine Gattung Ohreneule mit Katzenkopf und Feueraugen; sie fliegt unhörbar heran, meckert wie eine Ziege, lacht wie ein Norgg, quakt manchmal wie eine Kröte). In Wirtshäusern taucht er nicht ungern als Geigenspieler auf und geigt so höllische Tänze, daß den lustigen Leuten die Seele bald mürbe ist und sie sich dem Spielmann übergeben. Am liebsten erscheint der Höllenfürst als fescher, grüner Jäger mit wippender, roter Hahnenfeder auf dem keck aufgestülpten Hute; da ist er, meiner Treu, ein Teufelskerl, daß den Weiberleuten das Herz pumpert und sie ihm ohne viel Mühe verfallen, was durch hunderte von Hexenprozessen bezeugt werden kann. So eine verliebte Dirn, die des Teufels ist, nützt er dann als Lockvogel für die Burschen. In seiner wahren Gestalt als Bock mit Hörnern und Schweif erscheint er, wenn ein öffentliches Exempel zu statuieren ist und er einen wüsten Sünder so quasi verhaften und aufgreifen muß. Mit Sturm, Krach, Lawinendonner kommt er durch die Luft gesaust, schießt aus einem Felsen hervor oder steigt aus der geöffneten Erde, packt sein Opfer, wirbelt in der Luft davon oder versinkt durch den Erdboden zur Hölle hinab. Bei der Abfahrt läßt er regelmäßig den sogenannten „höllischen Gestank" hinter sich zurück, eine Mischung der Dämpfe von glühendem Pech und Schwefel, das Mindeste ist ein scharfer Bocksgeruch.

Allem Geweihten und Heiligen weicht der Teufel mit Grauen aus; auch die Dreißgenkräuter mag er nicht.

Läßt man über Nacht ein Messer auf dem Rücken liegen, muß der Teufel auf der Schneide reiten. Er wird vom Volke auch Gottseibeiuns, Höllenhund, Gangger, Habergeis, Alber oder Argsmann genannt, Deixl von denen, die gern Teufel sagen möchten, aber die Sünd fürchten.

Eitle Frauenzimmer können ihn sehen, wenn sie bei Nacht in einen Spiegel schauen; dann grinst er heraus.

Wenn man rückwärts geht, hilft man dem Teufel Wasser tragen.

Beschwören kann man ihn am leichtesten mit dem Gertraudibuche.

Zwei Lagunder [Algunder?] Burschen (128) verabredeten sich mit einem Studenten, den Teufel Geld bringen zu machen. Der Studierte bestellte die beiden in einer tauglichen Nacht auf die Moserlahn, wohin sie mitbringen mußten: einen neuen, ungebrauchten Melter [beim Melken verwendeter Eimer], ein frischgelegtes Ei, ein Stück ungewaschene Butter und noch einige zauberkräftige Dinge des Studenten. Der begann einen Hokuspokus zu treiben und verzwickte Sprüche zu reden. Wirklich hub es an leise zu donnern, auf einmal kam eine Menge Enten oder Gänse, die mit den Schnäbeln an den Füßen der Burschen herumbohrten, als ob sie sie forthaben möchten; dann raste eine Kutsche daher, wie wenn sie die Männer niederfahren wollte; endlich erschienen die Eltern eines jeden und fragten, was sie da machten? Sie sollten eiligst heimgehen, wenn sie einem fürchterlichen Unglück entrinnen wollten. Aber die Burschen rührten sich nicht vom Fleck. Nun fing es an, fürchterlich zu rumpeln und zu krachen, als wollte die ganze Moserlahn herunter. Das war zu viel des Guten und die zwei sprangen davon. Tags darauf machte ihnen der Student Vorwürfe wegen ihrer Feigheit: wären sie geblieben, hätten sie Säcke voll Geld bekommen. Aber die Burschen hatten genug von den Teufelsbeschwörungen und der Student ist nach einigen Jahren traurig gestorben.

In der gleichen Gegend im Wald bei Ried (129) war ein beliebtes Stelldichein für allerhand Getier. Einmal sah ein Jäger spätabends auf einem Köstbaum eine Habergeis, die auf ihn herabglotzte. Ein Jäger kennt die Furcht nicht und so legte er die Flinte an. Da schwoll der unheimliche Vogel wie ein Luftballon auf. Nun bekam es der Jäger doch mit der Angst zu tun und gab reichlich Fersengeld.

Noch einmal in derselben Gegend (130) stiegen in finsterer Nacht ihrer zwei in die Kirschen. Der eine war der Schneider Hanser, ein Tagdieb und Nachtschwärmer, ohne Religion, aber mit einer Geliebten, der er billige Kirschen zu bringen versprochen hatte. Da er sonst von Beruf ein Schneider war und Furcht hatte, lud er den Loaserer sepp ein, einen alten, schneidigen Kerl, einstmals Saltner und ein kreuzbraver Mann. Der Schneider machte ihm vor, er habe die Kirschen gekauft. Er ließ den Sepp zuerst in den Baum klettern, der aber bis zum Gipfel hinauf keine trug. Wenigstens der Loaserer fand keine. Dabei rauschte es im Laub, obgleich kein Wind wehte. Der Hanser hingegen brockte Kirschen in schwerer Menge. Da kam dem erfahrenen Saltner die Sache nicht mehr geheuer vor, stieg zum Schneider herab und sah einen Alber [sagenhafter Vogel] vorbeifliegen, daß weitum alles hell aufleuchtete. Daraufhin begann der Schneider zu zittern, daß er vom Ast gepurzelt wär, wenn ihn der Sepp nicht gehalten hätte. "So weit ist's schon mit dir, Hanser, daß dir der Teufel selber leuchtet beim Kirschenstehlen? Dann sei dir Gott gnädig!" sagte der Loaserer zum Dieb, den Alber jedoch brüllte er an: „Wart ein bißl, bis i di grün aa sieh!" Dieser, freilich etwas dunkle Spruch behagte dem Leibhaftigen nicht, denn er flog krächzend von bannen. Der Sepp konnte sich solche Keckheit dem Höllenfürsten gegenüber erlauben, weil er ein braver Mann war und außerdem ein geweihtes Kreuzeisen bei sich hatte.

Einmal (131) war der alte Unterwenter vom Partschinser Sonnenberg noch spätnachts auf'm Weg. Vor dem Montlboner Hause begegnete ihm ein Bock, den der Bauer gemütlich streichelte. Das Vieh trollte eine Weile mit dem Alten, jählings fuhr es ihm zwischen die Haxen, hob ihn auf und im Sturm ging es nun in der rabenschwarzen Nacht über Stock und Stein davon. Das wurde dem Bäuerlein doch zu dumm und er rief: „0 heiliges Kreuz! Dös Ding geht durch!" Daraufhin warf ihn der Bock ab. Als es Tag wurde, konnte sich der gute Unterwenter in der ganzen Gegend bei Haut und Haar nicht aus, und als er fragte, wo er denn wäre, sagten die Leute: "Im Inntal!"

In der Nähe des Einsiedlers im Naiftale (132) ist ein Stein mit dem Male einer eingedrückten Hand. Es rührt von einem Menschen her, der sich wehrte und den Stein umklammerte, als ihn der Teufel holte. Den Teufel oder eine andere Verkörperung des Bösen gab es und gibt es bei fast allen Religionen.

In der Wartburg wird heute noch ein Tintenklex [Tintenklecks] an der Wand gezeigt, weil dort Martin Luther dem leibhaftigen Teufel ein Tintenfaß nachwarf. Und wir alle haben in unserer Glaubenslehre gelernt, daß dem Teufel eine gewisse Macht über den Menschen eingeräumt sei; daß er freie Hand habe zu versuchen, die Seele in seine Gewalt zu bekommen. Daß es ihm oft genug gelingt, wissen alle, sonst wären ja die Beichtstühle ein überflüssiger Einrichtungsgegenstand in den Kirchen. Selbst an Jesus wagte sich der Teufel mit seinen Verführungskünsten heran; unzählige Künstler malten die Versuchung des hl. Antonius in der Wüste und meist ist ein verführerisches Weib dargestellt, womit der Teufel den frommen Einsiedler ködern wollte; just wie sich der grüne Jäger einer verliebten Dirn bedient, um die Burschen in sein Netz zu locken. Und hat die Schlange sich nicht schon im Paradiese an die Eva herangemacht, um Adam zu Fall zu bringen?

Quelle: Der Burggräfler in Glaube und Sage, Hans Matscher, Bolzano 1933, S. 131ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Dezember 2005.
© www.SAGEN.at