Das Schloß Tirolo
Hans Matscher, Schloß Tirol

Jahrhundertelang waren die Burggräfler gewohnt, zu dieser Burg emporzublicken, von der aus die mächtigen Grafen und Herzöge sie regierten, immer weiter die kräftige Hand ausstreckend nach dem Lande ihnen zu Füßen.

Wen wird es da noch wundern, daß auf dieser Veste dereinst Riesen hausten?

Und so stiefelte einmal (1) ein Riesenfräulein ins Tal hernieder, sah auf einer Wiese etwas zwazeln und krabbeln und klaubte sich einiges davon heraus. Meiner Treu, das waren herzige Dingerchen, hatten blühweiße Hemdärmel, niedliche Höschen an grünen Trägern, weiße Strümpflein und auf dem Kopfe ein neckisches Gupfhütchen. Das lange Mädchen freute sich natürlich riesig über ihren Fund, las noch etliches solches Kleinzeug in die Schürze und brachte es heim, um damit zu spielen. Doch ihr überlebensgroßer Papa belehrte das Kind, dies durcheinandergewürfelte, zappelnde Häufchen sei ein Schock zu Tode erschrockener Burggräfler. „Der Bauer ist kein Spielzeug!" verwies auch er das Mädchen gleich seinem Vetter auf Burg Niedeck im Elsaß und im schönen Gedichte Chamissos: „Das Riesenspielzeug". Doch bereits beim griechischen Schriftsteller Philostratos findet man die Sage, wie der gewaltige Herkules eine Schar Pygmäen (Zwergvolk) in seinem Mantel aus Löwenhaut davontrug.

Die Riesen stammten von den alten Göttern ab, waren demnach Erzheiden (2) und konnten es nicht vertragen, wenn man ihnen etwas Christliches vor die Nase setzte. Da hatten nun gar die Zwerge, die den wahren Glauben angenommen hatten, den verwegenen Einfall, den Riesen auf Tirolo das Kirchlein St. Peter hinstellen zu wollen. Schon waren sie mit dem Mauerwerke fertig und mühten sich um den Dachstuhl, da streckte ein Riese bei einem Fenster des Schlosses seine gewaltige Pratze heraus und speckte das Spielzeug über den Hang, daß Steine, Balken und Zwerglein durcheinanderwirbelnd in Laurins Rosengarten hinunterpurzelten. So ging es etliche Male, denn die kleinen Männlein hatten großen Eifer und viel Geduld. Schließlich überlisteten sie die tappigen Riesen. Während diese nämlich schliefen und schnarchten, daß die Bäume vor den Toren bebten, brachten die Zwerge in einer Nacht das Kirchlein unter Dach und setzten ein funkelndes Kreuz darauf. Als die Langschläfer erwachten, stand das Heiligtum fix und fertig da und sie vermochten ihm nichts mehr anzuhaben, denn über Vollkommenes haben die Riesen keine Gewalt. Sankt Peter ist tatsächlich eine der ältesten Kirchen in der Gegend und eine andere Sage (3) berichtet, daß sie erbaut wurde, als erst sieben Christen hier lebten. Uralte Kirchen sind mit Vorliebe dem Petrus geweiht, der als christlicher Platzhalter an die Stelle des Gottes Thor oder Donar getreten ist.

Eine andere Sage (4) erzählt, St. Peter sei am Ufer eines Sees errichtet worden, der damals das Land weit hinab überdeckte. Das mag vielleicht seinen Hintergrund in der Tatsache finden, daß das Etschland einst eine Bucht der Adria war.

Wenn die Riesen auch von den Göttern stammten, gewiß von kräftiger Körperbeschaffenheit waren und im gesunden Meraner Klima lebten, es blieb ihnen trotzalledem nicht erspart, den Weg allen Fleisches gehen zu müssen (5), und drei Riesengräber sollen auf dem Vigiljoch zu finden sein.

Das Christentum schritt gleichfalls siegreich über die heidnischen Schloßbewohner hinweg, und zwar so gründlich, daß aus der Burg ein Nonnenkloster hervorging (6). Doch der heidnische Geist scheint damit nicht ganz ausgetrieben worden zu sein und noch bedenklich herumgespukt zu haben. Eines wunderschönen Tages nämlich (7) verließ die Äbtissin von Rechberg die Schar ihrer Benediktinerinnen, schlug die Klosterpforte hinter sich und einem entsagenden Leben zu und ergab sich den Freuden dieser Welt. Ihre Verwandten zerstörten das Kloster und machten eine Feste daraus. Solchen Frevel zu büßen, wurde ihnen aufgetragen, ein anderes Kloster zu gründen, und so sei das Frauenkloster Steinach entstanden, (In der „Zeitschrift des Ferdinandeums" weist I. Zösmair nach, daß Schloß Tirols niemals ein Kloster beherbergt habe und die Geschichte von der lebenslustigen Äbtissin böswillige Erfindung sei.)

Weitaus lieblicher schildert die Entstehung des Steinacher Klosters eine andere Sage (8). Auf dem Schlosse war einmal eine Königin von Schottland einquartiert, die schon lange den Drang in sich fühlte, einen Verein gottgeweihter Frauen gründen zu sollen, nur wußte sie nicht recht wo. Bekümmert darob, sah sie eines Tages zum Fenster hinaus. Siehe, zwei Täubchen kamen geflogen, setzten sich gurrend und schmeichelnd zu ihr an die Fensterbrüstung, erhoben sich alsdann und flogen gegen Steinach, wo sie auf der Hütte eines Klausners niederhockten. Nun wußte die königliche Schottin, wohin das Kloster zu bauen wäre. Also geschehen Anno 1241. Ein Fresko im Kreuzgange (1400—1420) vergegenwärtigt uns diesen Hergang.

Und weil wir schon in Steinach sind: dort verehrte man einst (9) ein wundertätiges Marienbild, das aus der Schweiz stammte. Als das lutherische Wesen umging, hatten reformierte Schweizer die Tafel in einen Fluß geworfen, der in die Etsch mündete, die das Mirakelbild in Steinach ans Ufer spülte. Wohin es später gekommen, weiß niemand. Kehren wir nach diesem Ausfluge mit den Täublein ins Stammschloß Tirolo zurück. War es auch niemals ein Nonnenkloster, eine schöne zweigeschossige Kapelle ist heute noch zu sehen und darin ein uraltes Kruzifix.

Damit hat es eine eigene Bewandtnis (10). So oft ein Landesfürst stirbt, fällt ein Stück vom Kreuze ab. Als Meinhard, der Maultasche Sohn, 1363 in jugendlichem Alter verblich, brach das größte Stück vom Christusbilde los, die Seitenwunde öffnete sich und blutete, bis die Leiche des Fürsten beigesetzt war. Unterm Kreuze steht die Statue der Muttergottes (11), die von Zeit zu Zeit ihre Gesichtsfarbe verändert, bald rötlicher, bald bleicher.

Ziemlich eindeutig gefärbt sind die Sagen von der Margarete Maultasch aus den Tagen, als sie das Stammschloß bewohnte. Sie war das einzige legitime Kind ihres feuchtfröhlichen und sangesfrohen Vaters, des Königs Heinrich von Böheim. Der Sage (12) nach nahm er leider kein hochberühmtes Ende. Anno 1335 gelegentlich eines königlichen Zornausbruches erstickte er dermaßen heftiglich, daß er in der Burgkapelle seine Ruhestatt finden mußte. Allerdings soll er, wieder zu Atem gekommen, laut aus der Gruft gerufen haben. Zweifellos wurde er als einwandfreie Leiche zwei Jahre später in das Kloster Stams überführt, das sein Vater gestiftet hatte.

Der Tod des lebensfreudigen Fürsten hatte leider auch zur Folge (13), daß die Zwerge, die in den Berghöhlen wohnten, ihr kleines Bündel schnürten und auswanderten. Sie waren gerne in die Behausungen der Menschen gekommen, hatten sich mit ihnen Trank und Speise wacker munden lassen, getanzt und gespielt und gar mancherlei nutzbaren Dienst geübt. Nach Heinrichs Tod hörte man nichts mehr von diesem Völklein. Sie sollen Edelsteine bei sich führen, die unsichtbar machen, weil sie sich ihrer häßlichen Gestalt schämen. Darum, wer weiß, sind sie noch da, nur sehen wir sie nicht.

Des Böheimers Tochter, Margarete Maultasche, ward aus politischen Gründen mit dem um fünf Jahre jüngeren Johann von Böhmen verheiratet, der sich in so vielerlei Dingen als minderwertig und unfähig bezeigte, daß das Volk nach damaliger Ansicht glaubte, der gute Johann müsse verhext sein. Die Ehe war nicht glücklich und Margarete suchte darum (der Sage nach) das Glück anderweitig. Als Leib- und Schildwache wählte sie nicht ungern Passeirer Burschen (14). War sie deren überdrüssig, ließ sie nicht selten ein solches Opfer ihrer Mißlaune in den Fällturm des Schlosses werfen, andere hingegen belehnte sie mit außerordentlich privilegierten Schildhöfen im Passeier. Die Einwohnerschaft dieses Tales war der Herzogin absonderlich ergeben und half ihr auch den unbeliebten Johann vertreiben. „Langer Liebesmangel ist meines Herzens Angel", soll ein Spruch der Maultasche gelautet haben. Die Märe weiß von etwas eigentümlichen „Angeln" zu erzählen (15). Demnach konnte auch von den Erkerfenstern der Meraner Burg und der Zenoburg ein Eisenkorb in den Hofraum niedergelassen werden, um angenehme Gäste zur Kemenate der Herzogin emporzuwinden. Goethe wird dies kaum gemeint haben, als er schrieb: „Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan!" Übrigens wird dieser „Zug" manch anderer Prinzessin ebenfalls nachgerühmt.

Die Passeirer, so sehr sie auch privilegiert wurden, genossen trotzdem nicht das Vorrecht der Ausschließlichkeit, der Landesmutter dienen zu dürfen. So sah beispielsweise (16) im Gerichte S. Genesio [jenesien] ein Hans Goldegger, der der Fürstin in Treuen ergeben war. Außerdem hatte er noch drei Brüder, denen die Sage „Schönheit, Größe und Stärke" zubilligt. Sie erwarben sich das Wohlwollen Margaretens, die ihnen allerlei verbriefte Freiheiten verlieh, infolge ihrer Verdienste stiegen sie rasch zu Freisassen auf, aus denen die Freiherren von Goldegg hervorgingen, in der Nähe des Schlosses Turnstein, das manche für ein Vorwerk der Stammburg halten, kann man nächtlicherweile oft Musikklänge hören (17). Sie rühren von einem Knappen her, der sich der hohen Gunst der Herzogin zu erfreuen hatte. Der von der Natur und der Maultasche weniger begünstigte Gemahl Johann erschoß den Knappen auf der Jagd, dessen Geist seither musikalisch umgeht.

Nach dieser und anderen Untaten bekam der faule Johann den Laufpaß und Ludwig der Brandenburger warb erfolgreich um die Herzogin und das „Land im Gebirge". Der Bräutigam nahte über den Jaufen her mit glänzendem Hofstaate (18), darunter sich hoch zu Roß auch der Bischof von Freising befand, der zu Unrecht die Scheidung von Johann und die Trauung mit Ludwig zu vollziehen bereit war. Darum strauchelte sein Pferd und der Bischof kollerte den Hang hinunter bis in den Tod. Dennoch fand die Hochzeit im Februar 1342 statt.

Trotzdem der neue Vater des Landes alsbald auch Vater eines Thronerben wurde und seine Aufgaben mit größerer Gewissenhaftigkeit erfüllte als der Vorgänger, unterhielt Margarete (19) mehr als „freundnachbarliche Beziehungen" zu einem Herrn von Frauenberg, und zwar so offenkundig, daß man sich über die Duldsamkeit Ludwigs wunderte und sie wiederum nur durch Verhexung erklären konnte. Der Mann war aber nicht mit Blindheit geschlagen; denn als er sich einmal mit großem Gefolge auf der Heimkehr von München befand, ließ er sich einem Vertrauten gegenüber aus, er werde sich am Schänder seiner Ehre schon zu rächen wissen. Der mitreisenden Herzogin ward solch Vorhaben alsbald hinterbracht und aus Furcht vor drohender Vergeltung vergifteten sie und ihr Buhle zu Rattenberg den Gemahl.

Nicht besser erging es Meinhard, der Maultasche und des Brandenburgers Sohn, der ein gar schöner, wohlgebildeter Jüngling war, leutselig und über die Maßen beliebt (20). Doch er wollte allein im Lande regieren. Deshalb gab es oft Streit mit seiner herrschsüchtigen Mutter. Bei solcher Gelegenheit entfuhr es ihm einmal: „Wir wissen wohl, was Ihr Unserem Vater getan habet!" Nach diesen zwar hoheitsvollen, aber nichtsdestoweniger unvorsichtigen Worten begann Margarete um ihr Leben zu zittern. Bei einem Tanze begehrte der dürstende junge Herzog einen Trunk. Ein Becher wurde ihm gereicht, der ihm und vier seiner Genossen den Tod brachte.

Nach dem Absterben von Mann und Sohn umdüsterte sich das Gemüt der Maultasche (21). Tagelang saß sie am Fenster, schaute vereinsamt und trauernd in das schöne, lachende Land hinaus und sann, wem sie dies wohl zuwenden möge. Eines Tages fragte sie ihren Hofnarren um Rat und er prophezeite: „Hohe Frau, übergebt Ihr den Herzogen von Bayern, zeitlebens werdet Ihr als Fürstin behandelt werden; verleiht Ihr das Land denen von Österreich, Ihr werdet als Magd gehalten werden." Diese Vorhersage soll der Märe nach in Erfüllung gegangen und die Herzogin zu Wien armselig gestorben sein. Seit ihrem Tode geht Margarete um (22). Ihr Geist erschien einmal auf dem Stammschlosse, wo gerade eine Hochzeit gefeiert wurde. Sie neckte die Gäste und hieb mit bloßem Schwerte in der Hochzeitsnacht auf die Neuvermählten ein, doch ohne jemanden zu töten. Über den Namen „Maultasche" gibt es etliche sagenhafte Ausdeutungen. Die landläufigste (23) ist: Die Fürstin solle den Beinamen ob ihres breiten Mundes mit unförmlicher Kinnlade bekommen haben. Andererseits (24) soll sie gelegentlich einer ehelichen Auseinandersetzung Ludwig dem Brandenburger, einem Sohne Kaiser Ludwigs des Bayern, einen Streich mit ihrem Pantoffel versetzt haben; der Gemahl scheint noch nicht genügend darunter gestanden zu sein, denn er wagte es, seiner Frau eine kräftige Maultasche zu verabreichen. Freilich kam solche Schlagkraft seinem Hause teuer zu stehen: aus Verdruß über die erhaltene Maulschelle vermachte Margarete ihre Länder nicht den bayerischen, sondern den österreichischen Herzögen. Noch mancherlei Sagen, darunter derbster Art, lebten bei uns und in den angrenzenden Alpenländern. Doch bereits Graf Brandis schreibt im „Ehrenkräntzel": „Ungeacht der gemeine Pöfl ihr (Margareten) viel übls nachredete und sie wegen ihres etwas unzierlichen Mundts die Maultaschen zu nennen pflegt, so erhellet doch aus ihren mer manisch als weiblichen Thaten, das ihr unser Vatterland das Lob großer Forsichtigkeit schuldig sei." Namhafte Historiker weisen auf die Haltlosigkeit dieser Mären in der Geschichte hin. So entbehren z. B. jedes historischen Grundes die Sagen von der Ermordung ihres Gatten, Sohnes und ihrer Liebhaber, ihrer blutigen Kriegszüge nach Kärnten. Sagen sind eben nicht Geschichte, sondern Gedichte, die Fabelhans Volk sich zusammenreimt und wobei vom Rechte der poetischen Freiheit der weiteste Gebrauch gemacht wird. Vielleicht sind es die „mer manisch als weiblichen Thaten", die die Phantasie des Volkes erhitzten. Oft auch mischt sich Urväterglaube mit den Ereignissen der Geschichte. Der Umstand, daß der üble Ruf Margaretens auch über mehr entferntere Länder wie Kärnten, Salzburg, Steiermark sich ausbreitete, veranlaßt Ignaz Zingerle zur Ansicht, daß die Herzogin ein Opfer ältester Volksüberlieferungen sei, die ein Niederschlag noch älterer Mythen wären. Siehe darüber den Abschnitt „Wetterfrauen".

Kehren wir ins Stammschloß zurück. Dort wurde früher eine alte Schachtel mit einer Blume darin aufbewahrt (25). Auf der Walstatt von Sempach, wo Herzog Leopold 1386 fiel, ist die Blume wunderbarerweise gewachsen. Davon berichtet sogar eine weitläufige Urkunde, die von Ludovicus zu Räß, Pfarrherrn zu Sempach, unterzeichnet ist. Der bestätigt, daß „desselben Jars ain großer schener Plumb uf derselben walstatt gefund- und erfunden worden ... und ist der vermelt Plum voller khleiner Plumli mit rotten Plettlin uswendig und das Innweundig Pizlin wiß geferbt gsin..." Der Pfarrer versichert, daß er selbst im Jahre 1515 am Tage des hl. Cyrillus an der gleichen Stelle, an der man eine Gedächtniskapelle gebaut hatte, eine solche Blume gefunden und gepflückt habe.

Das Schloß beherbergte auch den Herzog Friedrich mit der leeren Tasche vor und nach dem Konzil von Konstanz. Als er dort wegen Unterstützung des Papstes Johann XXII. in Acht und Bann fiel, kam er auf seiner Flucht (26) in die Hendlmühle am Eingange ins Naiftal. Unerkannt und verkleidet hielt ihn der getreue Müller lange verborgen. Doch die argwöhnische Neugier der Müllerin lauerte wachsam und eines Tages erspähte das Weib, als der verdächtige Mensch sich die Haare kämmte, ein güldenes Halskettlein auf dem bloßen Leibe des Fremdlings und machte sich mit dem bekannten weiblichen Ahnungsvermögen flugs einen Reim darauf. Natürlich vermochte sie den nicht für sich zu behalten und tuschelte ihr Geheimnis herum. Alsbald erschienen Spürhunde, das Haus nach dem Verbannten zu durchsuchen. Der Hendlmüller legte den Herzog in eine Mistpenne [Penne = Wagenkorb], häufte allseits Dünger darüber, wie er ja im Hofe aufgeschichtet steht, und fuhr an den Schergen, gemütlich ein Liedlein pfeifend, vorüber aufs Feld. Friedl konnte nun freilich „Hof"-Luft atmen, aber die List glückte und der Herzog floh ins Inntal. Er vergaß in guten Zeiten die Bauerntreue nicht und der Hendlmüller wurde, nach dem Volksglauben, der Stammvater der nachmaligen Grafen Hendl, die ein Mühlrad im Wappen führen.

War die Jagd auf dies Edelwild den Fanghunden mißlungen, gelang eine dem kühnen Jäger, Kaiser Max, um so besser. In der Nähe des Stammschlosses (27) hauste in unzugänglicher Höhle ein alter, großer Bär. Max, der unerschrockene Martinswandler, stöberte ihn trotzdem aus seiner Ruhe. Meister Petz ward sehr ungehalten, brummte gereizt, stellte sich auf die Hinterfüße und sprang auf den Jäger los. Der Kaiser aber nahm den Spieß zu halbem Schaft und bohrte ihn mit soviel Kraft in den Bärenbauch, daß das Tier die Wand herunterpurzelte, natürlich tot und erledigt.

Auf dem Wege vom Dorfe Tirolo zum Schlosse muß man einen kurzen Tunnel durchtappen, von Kaiser Leopold I. gebaut. An seiner bergseitigen Wand (28) findet sich ein viereckiges Loch. Wer da hineinhorcht, hört das Schnurren eines Rädchens, das drinnen im Berge eine Spinnerin treibt. Wohl eine verflüchtigte Salige?

Damit treten wir in ein anderes Reich; in das eines Königs, der alle bisherigen Grafen, Fürsten, Herzoge und Kaiser in den Sack steckt. Er hatte weit, weit mehr Edelsteine, als die Maultasche sich schmückend hätte umhängen können, um ihren „unzierlichen Mundt" vergessen zu lassen; er hatte soviel Gold, daß der Herzog Friedl alle Dächer von Innsbruck hätte vergolden lassen können, nicht nur das kleine Dachl; er hatte solche Häufen Münzen, daß der ewig in Geldnöten schwimmende Kaiser Max hätte ausgesorgt gehabt...

Quelle: Der Burggräfler in Glaube und Sage, Hans Matscher, Bolzano 1933, S. 8ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Oktober 2005.
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