Ostern

Inzwischen haben die Karfreitagsratschen (womit im Burggrafenamte, nebenbei bemerkt, auch klatschsüchtige Weiber beiderlei Geschlechts bezeichnet werden) ausgeklappert, die Glocken sind aus Rom zurückgekehrt. Wenn sie beim Gloria zum erstenmale wieder läuten, soll man sich „wölgen" (mälzen), gleich wo man ist: das hilft für Rückenweh. Schon haben die feierlichen Klänge vom Turm die Auferstehung Christi verkündet, der als Sieger über den Tod auf dem Hochaltare steht, bereits umgeben vom Pomp und Glanz des Osterfestes. Die Nacht vom Karsamstag auf Ostersonntag ist nach der Weihnacht die hochheiligste des Jahres, reich an Geheimnissen und Wundern. Doch selbst in der Osternacht schläft der Teufel nicht und lockt. Deshalb sorgt der Bauer, daß alles zu zeitiger Stunde schon in den Federn liege und er selber des guten Beispieles wegen auch.

Die Nacht ist ja überhaupt keines Menschen Freund.

Eigentlich ist es schon nach dem Ave-Maria-Läuten nicht mehr ganz geheuer; denn der Schwarze, die Geister und die Hexen haben nun Gewalt. Menschen gehen da leicht irre und geraten in Sümpfe und Abgründe.

Schon viele Leute, die z. B. des Nachts nach Lana gehen wollten, sind außer der Marlinger Brücke (104) so bei der Nase herumgeführt worden, daß sie, obwohl sie stundenlang gingen, morgens am selben Platze standen.

Mancher (105), der ungesegnet nachts auf dem Wege war, ist nie am Ziele angelangt und blieb verschollen. Erst am jüngsten Tage wird man es erfahren, wohin solche Leute geraten sind.

Daß der Tag den Menschen, die Nacht aber den Geistern gehöre, diese Belehrung mußte sich sogar ein Kapuziner des Meraner Klosters (106) gefallen lassen, der die Nacht zum Tage machte; beileibe etwa nicht so wie hin und wieder unsereiner, sondern mit asketischen Übungen und Gebeten. Wieder einmal kniete der fromme Pater weit nach Mitternacht im Chor allein. Da warf es Steinchen ans Kirchenfenster und eine Stimme rief:

"Der Tag ist dein,
Die Nacht ist mein.
Willst du das Recht verdrehen,
Kommt's teuer dir zu stehen."

Da lief der Kapuziner schnurgerade auf seine Zelle und gehorchte.

Ein Baumann im Schlosse Neuberg (später Trauttmannsdorff) (107) saß einmal überlang mit seinem Gesinde bis tiefst in die Nacht hinein in der Stube. Plötzlich Geklirr und Stampfen, als ob geharnischte Ritter im Schloßhofe wären. Die Leute glaubten, es hätten aus irgendeinem Grunde die eisernen Ketten des Ziehbrunnens geklirrt und gingen danach zu sehen. Mein Lieber, sie sahen aber drei riesige, reisige Ritter, von oben bis unten gepanzert ins Schloß hinauf tscheppern und droben hub dann ein Lärm und Gepolter an, als ob die wilde Fahrt durchs Schloß rasselte. Das dauerte bis zum Frühläuten. Dann wurde es still und ist es auch geblieben, denn der Baumann ging von jetzt ab gerne zeitig schlafen.

In diesem Schlosse war's immer etwas unheimlich (108). Zu gewissen Zeiten schaute eine Frau mit weißer Haube und einem großen Schlüsselbunde vom Söller in den Hof herab. Auch hörte man oft dabei Tanz und Musik, doch hinaufgetraut, um nachzusehen, hat sich kein Mensch. Die Nacht ist um.

Feierlich tönt das Ave Maria in die Dämmerung hinaus: Ostermorgen!

Da macht die Sonne beim Aufgehen drei Freudensprünge, glaubt das Volk. Die Bäuerin aber springt noch flugs in die Speis, packt einen großen Korb mit Schinken, Weißbrot und Eiern voll und eine Dirn schleppt ihn zur Weihe in die Kirche. Auch die vorhin geschilderte Taufe macht sich den Patenkindern in einer äußeren Gnade angenehm bemerkbar: sie empfangen von Göt oder Gotel eine Fochaz (mürbes Weißgebäck), die Buben in Form von Hirschen und Hasen, die Mädchen — Hennen. Die Buben geben sich eifrigst den verschiedenen Spielen mit den bunten Ostereiern hin (Hecken, Pecken, Guffen, Kegeln usw.), während die Großen einstmals "palmen" gingen: geweihte Palmzweiglein und Kohlenstücklein von der Feuerweihe steckt man in die vier Ecken und in die Mitte der Felder, desgleichen in Haus, Stall und Scheune zur Abwehr von schädlichem Ungeziefer, Hagelschlag, Viehseuchen, Krankheiten, Blitz, Feuersbrunst und von Vermeinungen der bösen hexen. Dieser Brauch ist heute kaum mehr bekannt. An diesem so hochheiligen Tage darf natürlich nichts Unflätiges verübt werden, ohne besonderer Strafe gewärtig sein zu müssen.

Ein Graf Fuchs zu Lebenberg (109) lebte in Saus und Braus, spielte, zechte, durchbuhlte die Nächte und besuchte jahraus, jahrein niemals die heilige Messe. Als wieder einmal Ostern war und man in den Kirchen Hallelujah sang, durchpirschte der Graf den Wald und trieb des Abends mit Dirnen ein gar loses Spiel. Der alte Schloßkaplan begab sich noch in später Nacht in den Rittersaal und ermahnte den Grafen, die heilige Zeit nicht durch sündhaftes Treiben zu entweihen. Doch der Graf, zornmütig über die Störung durch derlei Predigt, ließ den Priester von zwei handfesten Kerlen ergreifen und in den Jocher See werfen.

Seines frevelhaften Tuns erfreute sich der Graf aber nicht mehr lange. Einmal ritt er allein zum Jochersee, um dort zu jagen und kam nie wieder zurück. Die Märe geht, er sei vom Rosse in den See hineingetragen worden und jämmerlich ersoffen. Seither rumort es im See und oft ward ein wilder, unheimlicher Wolf mit glühroten Augen gesehen, in dem der Volksglaube den verschwundenen Grafen vermutet. Daß die Fuchsen zu Lebenberg ein gar tafelfreudiges Geschlecht waren und üppig zu leben verstanden, ist allgemein verbreitet. Sie hatten auch bereits die drahtlose Telegraphie erfunden. Von Lebenberg sieht man nämlich durch's Passeier hinein bis zur Jaufenburg, die auch den Fuchsen gehörte. Wenn bei Festen zu Lebenberg "die Gesundheit" der edlen Grafen ausgebracht wurde, gab man auf dem Bergfried ein Zeichen und so konnte man gleichzeitig am Fuße des Jaufens die Grafen hochleben lassen. Jörgi (23. April). Der Ritter Sankt Georg ist Patron der Reiter und Sattler. Doch (ohne böse Absicht) hat er schon manch schwaches Reiterle aus dem Sattel gehoben; denn um Jörgi ist Zinstag und knapp nach dem Winter zinsen, ist oft versackert! Ritter Georg ist freilich selber auch ein Märtyrer gewesen, und zwar unter Kaiser Diokletian im Jahre 303 zu Nikomedien in Kleinasien. Er wird als Drachentöter abgebildet, weil er eine ganze Stadt und eine Königstochter (der Sage nach soll es die spätere hl. Margarete gewesen sein) von einem überaus gefräßigen Untier befreite.

Die Kreuzfahrer verpflanzten die morgenländische Verehrung des Heiligen ins Abendland, wo sie sich allenthalben ausbreitete und einwurzelte, (im Burggrafenamte haben wir gleich zwei Kirchen, die ihm geweiht sind: die eine in Maia alta, die andere in Alt-Scena [Alt-Schenna]. Altäre, Bilder, Statuetten, Bildstöcke und nicht zumindest die vielen lebendigen Jörgelen bezeigen die große Verehrung durch unser Volk. Manchenorts gilt Jörgi auch als "kleiner Schlenggeltag".

In früheren Zeiten — gar solange her ist's noch nicht — war Jörgi mancherorts im Burggrafenamt ein "Lostag" ganz eigener Art. Von diesem Tage an bekamen die Erhalten (Dienstboten) von der Bäuerin wiederum eine Märende vorgesetzt, die von Michaeli an den ganzen Winter hindurch ausgeblieben war. "Der Michl nimmt's, — der Jörgl bringt's" — sagte man Anno dazumal.

Zwei Tage nach Jörgi fällt Markus. Angeblich zur Abwehr der Pest werden allgemeine Kreuzgänge gehalten. Dieser Bittgang soll ursprünglich von Papst Liberius (4. Jahrhundert) an Stelle der heidnischen Flurgänge am 25. April eingeführt worden sein, oft der Mai gekommen, so spüren wir Burggräfler dies vor allem in den Ohren; denn allenthalben pfeifen, dudeln und schwegeln die Buben auf den "Moid'npfeifen", die sie sich aus Bachweiden oder Holunder anfertigen.

Die größeren Buben aber bereiten uns den Ohrenschmaus des "Butterausschnöllens". Drei, fünf oder sieben Burschen stellen sich zusammen mit langen Geiseln und knallen im Takt an Sonntag-nachmittagen auf den Angern und Wiesen reicherer Bauern. Dafür werden sie mit Wein und Brot bewirtet, zeitweilig auch mit Maibutter. Manche halten dieses Peitschenknallen für ein Überbleibsel der ehemaligen Pfingstritte, die weit verbreitet waren. Auch die Sage beschäftigt sich mit dem Butterschnöllen (110). Da war einmal ein bildsauberer Bursche, dem aber die Mädeln ganz vergeblich ihre schönsten Augen hinmachten; er tat nie was dergleichen und ließ sich mit keiner ein, denn seine Liebe gehörte einem Stadtfräulein. Nun lebte auf einem prächtigen Hofe eine junge Bäuerin mit ihrem brummigen alten Manne. Sie verstand die schwarze Kunst, die sie von einem Karrner erlernt hatte, über Hals und Kopf verliebte sie sich in den Burschen, den sie mit ihrer höllischen Kunst zwang, ihre Nähe aufzusuchen. Eines Abends riß sie ihn an sich und da merkte er, wie Funken aus ihren Haaren sprühten und ihre Augen wie die einer Katze glühten. Nun wußte er, daß das Weib eine Hexe sei. Das Dorf war aber noch mit einer anderen Hexe gesegnet. Die war ein altes Weib, verstand sich gut auf's Wettermachen und war auf die Junge nicht gut zu sprechen. Es wird halt auch unter den Hexen einen Konkurrenzneid gegeben haben. Die Alte zog den verzauberten Burschen einstmals beiseite und riet ihm: "Wenn die Zeit zum Butterschnöllen ist, nimm als Geiselschmitz ein geweihtes Skapulierband, steig' auf's Hofdach, schnöll beim Ave-Maria-Läuten in der Früh dreimal und sag' jedesmal: Grüß Gott, Hex! Dann bist geheilt." Akkurat so tat der Bursch. Die junge Bäuerin aber schrie im Bett bei jedem Peitschenknall und hatte von dem Tag an drei blutrote Striemen um ihren weißen Hals, der Bursche aber war entzaubert.

Zwei Heilige, die für ganz entgegengesetzte Dinge gut sind, feiern im Mai ihren Namenstag: Florian (am 4.), der vor Feuer schützt und "Johann unter der Brugg'n (Nepomuk, am 16.), der das Wasser abwehrt. Beide erfreuen sich beim Volke großer Verehrung.

Neun Tage nach dem Wasserheiligen hat der Weinheilige sein Fest.

Doch vorher müssen wir noch (nicht ohne Zittern und Zagen!) vier Gewaltiger gedenken: der drei Eismänner und der "kalten Sophie". Die Männer heißen „die drei Azi", nämlich: Pankratius, Servatius, Bonifatius.

Um Mitte Mai setzen oft plötzliche Fröste ein, die namentlich den Reben tödlichen Schaden zufügen können. Da tönt in bitterkalten Nächten die Sturmglocke von den Kirchtürmen und die Bauern schüren in den Weinbergen Reisigfeuer, die einen dichten Qualm entfalten, der sich schützend um die Reben legt, sie einhüllt; man nennt es "Reifheizen". Wenn der Städter des Morgens die Nase zum Fenster hinaussteckt in den Glanz eines jungen Maitages und brenzliche Luft einschnuppert, freut er sich wohl, ein Stadtlinger zu sein und blickt liebevoll auf das warme Bett, bedenkend, wie hart und Aufopferung heischend Bauernarbeit ist.

Doch ist dieser Kelch glücklich vorüber, dann steht Sankt Urban (25. Mai), der Weinpatron, um so herrlicher da, im anderen Falle muß man halt das Vertrauen zu ihm haben, daß er retten wird, was noch zu retten ist; denn die Gefahren haben ja erst begonnen. Im Burggrafenamte wird es keine Gemeinde geben, wo dem hl. Urban nicht ein Altar, eine Fahne oder eine Statue geweiht ist, die bei Umgängen geschmückt mit Weinlaub oder schon Trauben herumgetragen wird. Vier solcher Umgänge, Traubenprozessionen genannt, halten im Sommer die Maiser ab, wobei von Bauern der Heilige allein herumgetragen wird. Dieselbe Ehre wird ihm von den Tschermsern zugebilligt. Vier Saltner holen ihn, umkränzt von blühenden Rebzweigen und Rosmarin, aus der Marlinger Kirche und tragen ihn durch die Tschermser Weingüter, hierin werden Anklänge gefunden an den Brauch unserer rätischen Voreltern, geziert mit Kränzen und Zweigen im Mai einen Umgang durch die Felder zu machen. Am schlauesten sind die Marlinger, die den Weinpatron nicht vorzeitig bittweise angehen, sondern ihm erst für den Herbst, am Rosenkranzsonntag, eine Dankprozession in die Nörder versprochen haben.

"Wenn um Urbani die Sunn scheint,
Gibt's viel und guten Wein."

In den Mai fällt noch die Bittwoche. Kein Wunder, daß der Bauer den Himmel um Schutz und Gedeihen anfleht, wenn im ganzen Burggrafenamt Obst und Wein, die Saat auf den Feldern heranwächst; und der Gefahren drohen so viele, bis die Ernte geborgen ist. Montag, Dienstag, Mittwoch vor Christi Himmelfahrt finden die 2Kreuzgänge" statt. Bei allzu langem Regen, meist aber bei wochenlanger Trockenheit gibt es gelegentliche Bittgänge um Sonne oder Regen.

Einen seit Jahrhunderten verlobten Kreuzgang der Meraner lernten wir bereits beim Agathentag kennen. Am Montag nach Kirchweih pilgern sie zur Riffianer Gnadenmutter, die von den Burggräflern überhaupt viel besucht wird.

Die Entstehung der Wallfahrtskirche erzählt die Legende (111):

Leute sahen oft bei Nacht ein Lichtlein an der gleichen Stelle im Talgrunde. Man grub nach, fand im Passerschutte ein Marienbild aus Stein und beschloß, ihm eine Kirche im Dorfe zu erbauen. Doch während des Bauens gab es allerhand Unheil: Arbeiter beschädigten sich; was die Maurer untertags aufgeführt hatten, stürzte nachts wieder ein; Zimmerleute hackten statt ins Holz in ihr eigenes Fleisch u. dgl. Dann kamen immer Vögel, pickten die blutigen "Schoaten" und Späne mit den Schnäbeln auf, flogen damit auf einen Hügel ein Stück außerhalb des Dorfes und legten sie dort kunstreich zusammen. Endlich verstand man den Wink des Himmels und errichtete die Kirche auf der Anhöhe, wo sie heute noch steht.

Verlobte Wallfahrten müssen von Geschlecht zu Geschlecht getreulich eingehalten werden (112). Davon wissen gerade die Meraner ein Liedlein zu singen. In Hinterpasseier bildete sich um 1400 herum durch Absturz eines Bergteiles zwischen Gspell und Hahnebaum ein Stausee, der ob seiner vielen, "erschröcklichen" Ausbrüche den Namen "Kummersee" erhielt. Nämlich — der Böse Feind benutzte nicht selten den See als Bad, tauchte darin auf und nieder und brüllte dazu, daß es durch ganz Hinterpasseier hilderte. Zur Beschwörung gelobten die Umwohner eine jährliche Bittprozession an den See. Aber in guter Zeit schlief die Furcht und das Gedächtnis ein und niemand besann sich mehr auf das Gelöbnis und den Teufelsbann durch die Wallfahrt. So erfolgten immer wieder die fürchterlichen Ausbrüche als Strafe für die Unterlassungssünden der Hinterpasseirer.

Übrigens, alles was recht ist, ganz allein darf man ihnen die Schuld nicht zuschreiben. Viel am Kerbholz hat auch ein Klausenmann (113), der als Dammwächter achthaben sollte auf des Sees Steigen oder Fallen, um zu wehren, abzuleiten und zu warnen. Dazu war ein gewissenhafter und frommer Mann nötig, der nicht nur arbeitete, sondern auch betete und den See segnete, damit der Teufel nicht sein beliebtes Seebad nehmen könne. Doch der Klausenmann scheint es mit der Zeit auch mit oberwähnten Hinterpasseirern gehalten zu haben und auf weltliche Abwege geraten zu sein. Kurz, der böse Feind erhielt abermals Macht, und es erfolgte der fürchterlichste Ausbruch, der ganz Passeier zu einem See machte, darin auch der ruchlose Klausenmann gebührlich ersoffen ist. Seine Ruhe konnte er aber nicht finden, sondern er "geistert" bisweilen durch jene grasbewachsene Ödnis, die sich jetzt an Stelle des abgelaufenen Sees ausbreitet. Am Wege steht ein Fels, genannt "z' Gsteig", an den sich ein Kapellchen lehnt. Dort hört man es oft seufzen und sieht die dunkle Gestalt des Klausenmannes vorüberhuschen. An einer Wand der Meraner Heiliggeist (Spital-) Kirche ist ausführlich zu lesen, wieviel Kummer der Kummersee den Meranern gekostet hat. Am Mauritiustage Anno 1419 sollen die wilden Wasser einen Priester vom Altare hinweggerissen haben (114). Die Fluten zerstörten das Spital und einen Teil der Stadt. Das Wasser brachte auch ein Kind in der Wiege daher und darauf saß eine Katze, "zweifelsohne sich vor dem Wasser zu salvieren." Alle drei: Wiege, Kind und Katze wurden erst im Unterland unversehrt herausgefischt. Außer den gemeinschaftlichen Bittgängen sind die Wallfahrten Einzelner aus allen erdenklichen Beweggründen, die das Leben schafft, gebräuchlich, hat man das Gelöbnis zu einer Wallfahrt, z. B. nach der Mörre (Passeiertal), gemacht, ist man verpflichtet, es genau so zu halten, stellen sich aber der Ausführung wesentliche Hindernisse entgegen, kann jemand anderer dafür auf die Pilgerschaft geschickt werden. Manches Weiblein macht sich einen Beruf daraus, derart übertragene Wallfahrten zu unternehmen, natürlich gegen entsprechendes Honorar. Das hatte sich einmal (115) ein spekulatives Frauenzimmer recht schlau ausgeheckt. Sie verwandelte sich quasi in eine "Firma", sammelte Wallfahrtsaufträge dahin und dorthin, und wenn sie dahin und dorthin genügend beieinander hatte, pilgerte sie mit dem einen Schock Aufträge dahin, mit dem anderen dorthin. Das Weib mußte ihren Frevel hart büßen, und zwar ganz folgerichtig mit einer so heftigen Sicht, daß sie lange Zeit nicht mehr zu gehen vermochte. Verschiedene Schwefelwässer unserer Gegend machten sie endlich heil, schwemmten aber auch das ganze sündhaft erworbene Geld hinweg.

Ein wundertätig-heilsames Wasser findet man im Kirchlein Sankt Felix (116) am Marlinger Berge. Im Fußboden der Kirche ist eine Zisterne mit Wasser, das wirksam ist gegen Kopfweh. Merkwürdig ist, daß der Wasserspiegel immer gleich hoch bleibt, sei das Jahr nun trocken oder naß, ob viele Pilger aus der Zisterne schöpfen oder wenige. Die Bäuerin des Hofes daneben versicherte mir, daß sie dies selber beobachtet habe.

Die Himmelfahrt Christi kann man heute noch in manchen Orten des Burggrafenamtes tatsächlich aufgeführt sehen. In der Mitte des Kirchenschiffes steht ein geschmücktes Tischchen und darauf die Statue Christi. Aus der Öffnung im Gewölbe, dem sogen, Heiliggeistloch, senkt sich ein Seil herab, daran das Bildnis befestigt und in die Höhe gezogen wird, bis es den Augen der nachstarrenden Gemeinde entschwindet. Die Gläubigen folgen umsomehr mit Spannung der Figur, als diese Wichtiges für den künftigen Sommer prophezeit: wohin nämlich der entschwebende Heiland beim Durchtritt durch das Heiliggeistloch das Antlitz wendet, von dieser Himmelsgegend her werden alle bösen Wetter zu befürchten sein. In der Tisenser Pfarrkirche tanzen dem auffahrenden Christus vier Engel voran. Auch in der Meraner Pfarre war einstmals solcher Aufzug im Schwange. im Dorfe Tirolo [Dorf Tirol] ist heute noch die bildliche Darstellung der Himmelfahrt gebräuchlich. Dort feiert man an diesem Tage auch bereits das Fronleichnamsfest mit einer sehr malerischen Prozession auf den Segenbühel heraus, der davon seinen Namen hat.

Quelle: Der Burggräfler in Glaube und Sage, Hans Matscher, Bolzano 1933, S. 103ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, November 2005.
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