König Laurin

Wenn man den Schloßhang niedersteigt, gerät man in eine warme, windstille, mit besonders gutem Weine gesegnete Mulde, in der auch der goldene Tropfen süßen Frauenweines, der Muskateller gedeiht ...: in Laurins sagenumsponnenen Rosengarten!

Schon ein längeres Spielmannslied aus dem 13. Jahrhundert behandelt unter deutlichen Hinweisen auf unsere Gegend die Laurin-Sagen und die Kämpfe des Zwergkönigs mit Dietrich von Bern und seinen Recken. Doch hier haben wir es nur mit dem Volke als Dichter zu tun und hören (29):

Der alte König Laurin erfreute sich einer gar lieblichen Tochter, fein wie ein saliges Fräulein. Wenngleich die Kristallburg im Innern des Berges wunderprächtig war und von Edelgestein und Gold schimmerte und leuchtete, der Prinzessin deuchte der helle Sonnenschein draußen weitaus begehrenswerter und schöner, so daß sie sich sehnlichst wünschte, im Lichte draußen einen Garten hegen zu können. Der königliche Vater willfahrte dem Willen des Maidleins, das nun in der sonndurchwärmten Mulde Rosen aller Art zu pflanzen anhub. Laurins Tochter umzäunte ihren Rosengarten nur mit goldseidenen Schnüren, daß auch das Volk baß sich freue der duftenden Pracht. Wie und wann all diese Herrlichkeit ein Ende fand, berichtet die Sage nicht.

Erinnerungen, Anklänge an Laurins unterirdisches Reich schwingen mit in einer Sage von Anno Neun (30). Im Toben der Küchelberger Schlacht standen drei Schützen auf einer Felshöhe Bayern und Franzosen gegenüber. Barbl, ein saggerisch schneidiges Mädl, pirschte sich mit einem Eimer Milch an die drei heran, um die Dürstenden zu tränken. Freilich war einer davon ihr Herzliebster. Dem gab sie zuerst. Doch, während er den Trunk schlürfte, kam eine Kugel geflogen, riß den Milcheimer weg und ein Stück vom Friedl, wie der Schatz hieß, dazu. Der Feind stürmte, die anderen beiden Schützen pfefferten drein, was das Zeug hielt, aber Pulver und Blei gingen dabei aus, so daß die zwei den anderen Teil der Tapferkeit, vorsichtigen Rückzug, wählen mußten; Barbl aber blieb beim todwunden Geliebten. Da erschien eine wunderschöne Frau mit einer Krone auf dem Haupte, brachte Heilsäfte, Verbandstoffe und trostreiche Worte. Auf ihren Wink wuzelten sich plötzlich kleine Männchen aus Spalten und Klunsen des Berges hervor, machten sich über den Friedl her wie die Ameisen über eine Beute und schleppten ihn davon. Die wundermilde Frau folgte mit Barbl, sie traten in eine Höhle, der ein Bach entströmte, dann — auf einmal — tat sich ein prächtiger Saal auseinander, daß das Mädl die Augen schließen mußte vor lauter Glanz und Schimmer, Edelsteinen. Gold, Kristall und Silber. Da saß auf einem Throne der König der Zwerge, so, wie eben Märchenkönige immer auf Thronen sitzen, stieg freundlich lächelnd herab, strich höchsteigenhändig dem Friedl über die Wunden und verpfändete sein königliches Wort, daß der wackere Landesverteidiger wieder ganz gesund werde. Barbl pflegte ihn mit Liebe und anderen heilsamen Dingen, bis er wirklich heil ward und kräftig genug für eine Bauernhochzeit.

Nun, lieber Leser, hat uns die Sage vom Schlosse Turnstein über Tirolo und den Küchelberg entlang begleitet, uns den Hintergrund umgrenzt, vor dem im weiten Becken des Etschtales seit vielen Jahrhunderten das Leben des Burggräflers sich abspielt rings um die einstige Landeshauptstadt.

Erst im 17. Jahrhundert taucht ihr Name für sich allein in den Urkunden auf, während man vorher zu schreiben pflegte: „An der Marein, Maraun, Maran", was nach dem romanischen mara, maraine, marana soviel heißt als „an der Muhr". Das Volk aber leitet den Namen davon (31) her, daß einst das Meer bis an die Mut herangebrandet sei. Darum wurden oberhalb St. Peter (siehe Sage 4) eiserne Ringe gefunden, daran die Schiffe gebunden worden sind. Ja, sogar versteinerte Fische sollen entdeckt worden sein.

Quelle: Der Burggräfler in Glaube und Sage, Hans Matscher, Bolzano 1933, S. 21ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Oktober 2005.
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