Hochzeiten

Hochzeiten veranlaßt auch der Fasching, bei dem wir noch sind; er legt nicht nur den Grund zu späteren, er ist auch der Grund, unter's Ehejoch zu springen, bevor der Aschermittwoch das Tor zum Eintritt in die Ehe für vierzig Tage zuschlägt. In den letzten Karnevalstagen sieht man ländliche Kaleschen durch die Stadt holpern mit Insassen, die mit Myrtensträußchen geschmückt sind, oder man trifft bräutlich-gezierte Pärchen, die Kleinfinger der beiden innig ineinander verhakelt, vor den Auslagfenstern unter den Meraner Lauben. Das sind freilich meist „kleine Leute"; der „g'stand'ne Bauer" hält schon eine richtige Bauernhochzeit, wenngleich sie heute auch nicht mehr in der festlichen Aufmachung und üppigen Tafelfreudigkeit abgehalten werden wie dermaleinst. Zum Beispiel befahl eine Verordnung vom Jahre 1676: Für wohlhabendere Bauern gehören zur Hochzeit 8 gute Speisen, worunter auch Fisch, außerdem Käse, Brot und guter Wein. Die Taxe war festgesetzt mit 29 ½ Kreuzer für die Mannsperson, 27 ½ für die Weibsperson um 25 ½ pro Jungfrau.

Ruhig überlegend, leidenschaftslos abwägend ist der Burggräfler auch bei der Gründung seines Hausstandes. Bis sich der Vater zur Übergabe des Anwesens an den Sohn entschließt, ist dieser ja meist über die „ersten", stürmischeren Zeiten hinaus und die Liebe ist der Vernunft dann kaum mehr im Wege.

Der Hochzeit voran geht der Handschlag, gleichbedeutend wie öffentliche Verlobung, mit Umtrunk im Gasthause. Daraufhin erfolgt die dreimalige Verkündigung in der Kirche, was man „von der Kanzel aberschmeißen" nennt. Das ist immer ein aufregendes Ereignis, namentlich unter dem Weibervolke, und ein Tuscheln und Raunen geht durch die Betstühle und ein Köpfedrehen nach den Genannten.

Die letzten Wochen vor der Hochzeit dürfen Brautleute nicht mehr unter einem Dache schlafen. Braut und Bräutigam schmücken sich zur Hochzeit mit weißen, künstlichen Blumen, sie mit dem Kränzlein im Haar, er mit einem Sträußchen am Hut, wenn er in Tracht geht, sonst im Knopfloche. Gelbe Blumen bedeuten Unglück. Witwen dürfen kein Kränzel aufsetzen.

Der Bräutigam soll während der Hochzeit ein Hemd tragen, das ihm die Braut geschenkt hat.

Eine Braut, die bei der Hochzeit nicht weint, muß desto mehr in der Ehe weinen.

Bei der Hochzeit soll kein Wind gehen, sonst verträgt er den Segen im Haushalte.

Wurde im Burggrafenamte früher überhaupt viel geböllert, so legten die Feuerwerker erst recht los, sobald beim Hochzeitsmahle der Schweinebraten mit Sauerkraut auf den Tisch kam. Denn nun nahm die Kellnerin der Braut den Jungfernkranz vom Kopfe und befestigte ihn am Hute des Bräutigams. Die Kranzeljungfern benutzten diese Gelegenheit, um ihr Kränzlein jenen Burschen unter den Gästen zu schenken, die ihnen am besten gefielen. (Eine Art „Herrenwahl".)

Wenn beim Mahle die Gabel mit den Zinken zur Braut sieht, wird es ein giftiges Weib.

Verschüttet die Braut zuerst Wein auf den Tisch, wird das erste Kind ein Mädel.

Niemandem wird es einfallen, am Freitag Hochzeit zu halten; das brächte sicher Unglück.

Wenn am Morgen nach der Brautnacht die Hennen gackern, wird die Bäuerin Glück mit dem Vieh haben. Nach der Einsegnung des Ehebundes durch den Priester erhalten die Brautleute, Zeugen und Gäste Wein. Dieser Brauch hängt mit der Hochzeit von Kana zusammen, auf welche die Kirche bei der Zeremonie hinweist. Des weiteren soll dieser gemeinsame Trunk die Lebensgemeinschaft der Eheleute bedeuten, dessen die Anwesenden Zeugen sind. Es ist dies ein uralter Brauch, der sich leider immer mehr verliert.

Den Übergang vom Fasching zur Fastenzeit bildet eine ganz merkwürdige Woche, deren Tage ich vorweg aufzählen will, um sie nacheinander zu würdigen. Also:

Fasnachtsunntig,
Freßmontig,
Speiberchtig,
Aschermittig,
Nudelpfinztig, auch Knoflpfinztig,
Ziegerfreitig oder Zwieflfreitig,
Kassomstig,
Holepfann- oder Küechlsunntig.

Fasnachtsonntag, auch Herrensonntag genannt, galt einmal als einer der höchsten Kuchelfeiertage. Nun ist dieser seit langem auf den Fasnachterchtig (bezeichnenderweise: Speiberchtig!) verlegt.

Der "Kuchlbrauch", d. h. die Art und Zahl der Speisen hängt innig mit dem kirchlichen Kalender zusammen. Das Jahr des Burggräflers zerfällt in Werktage, in Bauernfeiertage (von der Kirche aufgelassene Festtage, besonders Aposteltage), „gemeine" Sonn- und Feiertage und Fest- oder Kuchelfeiertage. Als solche Gipfelpunkte gelten: Neujahr, Dreikönig, Fasching-Dienstag, Holepfann-Sonntag (vor alters Krapfentag, erst später als Freßtag in heutiger Form eingebürgert), Palmsonntag, Ostern, Pfingsten, Maria Himmelfahrt, Allerweltskirchtag, Allerheiligen und Weihnachten (der heilige Tag).

Wenn ich den Burggräfler als leidenschaftslos bezeichnet habe, beim Essen ist er's entschieden nicht. Da legt er sich fest ins Zeug, freilich mit angestammter Ruhe, ohne gierige Hast, aber gründlich und mit Ausdauer.

Im Rufe besonderer Tüchtigkeit standen diesbezüglich die Algunder, die man wegen der daraus entspringenden Folgen „Wampenschieber" nannte. Doch die Bewohner dieses schönen Weindorfes brauchen diesen Übernamen nicht allein auf sich sitzen zu lassen und können ihn ruhig auf die ganze Meraner Umgebung überwälzen. Noch sprichwörtlicher ist diesbezüglich der Marteller oder gar der Larner. Sagte doch noch der alte Vernauner: „A jeder Sarner, der in mein' Acker einigeht sch . . . . n, kriegt a halbe Wein!" Allenthalben ist man der Meinung, daß tüchtig Essen und Trinken Leib und Seel' zusammenhalte. Und: „Was beim Maul einigeht, ist nit Sünd, lei was außerkimmt!" Gott sei Dank, daß dem so ist, sonst kämen die Burggäfler zu unterst in die Hölle. Beim „Maul eini" geht verdammt viel; nehmen wir als Exempel nur den Faschingsdienstag-Mittag:

Saure Suppe.
Weizene Knödel mit grüner Rindssuppe.
Rindfleisch mit Kren 1)
(die Männer mit Essig, die Weibsleut' mit Milch).
Geselchtes mit Kraut (die Schweinsschnalle, d. i. der Schweif, gehört der Fackendirn 2) und nur der Bauer darf mit ihr teilen).
's Bratele
(Schweinsrippen oder Kalbfleisch).
Zwetschkenkompott.
1) Heute gebräuchlicher Rindfleisch und Geselchtes zusammen mit Kraut
2) Magd, die die Schweine betreut

Angesichts solcher Speisenfolge halten sich ärmere Leute an den Trostspruch: „Besser a Laus am Kraut als gar kein Fleisch." Übrigens das Kraut, ja, das soll siebenmal aufgewärmt sein, dann wird es erst so richtig schmackhaft.

Ein besonderer Liebling des Meraner Bauern und auch des Stadtlingers ist der Knödel. Sein Tag ist der Donnerstag, vielleicht im Gedenken an den Wettergott Donar, der die Blitzkugel rollte. Von großen Höfen gilt das Wort:

„Mit an kloan Fackl
Machen s' nit viel Spettackl."
(Es ist im Handumdrehen verschwunden.)

Bei solch magenfreudiger Einstellung sind die Dienstboten natürlich ängstlich bedacht, daß die „Kuchelfeiertage" mit ihren „guten, alten Bräuchen" nicht abkommen. Wehe, wenn eine allzu sparsame Bäuerin dawider sündigt: bald ist ihre Wirtschaft im ganzen Burggrafenamte als „Hungerhof" verschrien und gemieden.

Früher waren die Ehhalten noch mehr erpicht als heute, auch den Heiligen der Bauernfeiertage ihre Hochachtung und Verehrung durch Arbeitsenthaltung auszudrücken. Allerdings entbehrten sie zu ihrer Rechtfertigung nicht eines kräftigen Hinweises. Ein Bauer nämlich (88) schaffte am Tage des hl. Kassian die Knechte heuarbeiten. Ergrimmt über solch' gottlose Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Himmel und die Ehhalten gingen sie auf die Wiese und warfen das Heu zu mächtigen Schobern zusammen. „Das wird dem Bauer keinen Segen bringen!" verwünschte der Großknecht. „Gewiß nit!" half der Mitterknecht. „So a Heiligenschändung muß gestraft werden." „Mit der Feiertagsarbeit," schimpfte der Fütterer, „ist no keiner auf ein' grünen Zweig kommen." Mit solchen Gesprächen würzten sie sich die Arbeit, bis sie endlich getan war. Schon hatten die drei der Wiese den Rücken gekehrt, als sie gewahrten, wie sich die Heuschober in lauter Steinhaufen verwandelten. So oft man sie auch fortnahm, frühmorgens waren sie immer wieder da.

Auf'm Haflinger Berg (89) ist eine breite, öde Stelle zu sehen, mit der rötlichen Tönung eines frischgepflügten Ackers, der sogenannte „Sonntagsacker". Er kann nie mehr eine Frucht hervorbringen und wird immerdar wüst bleiben. Er gehörte einst einem Bauern, der Sonntags arbeiten ließ. Der Ungläubige hörte auf keinerlei Ermahnungen. Als er eines Tages das Getreide ernten wollte, war es verschwunden und der Acker sah wie neugepflügt aus. Er säte von neuem.

Doch vergebens. Kein Halm gedieh mehr. Warnend zeigt man den Kindern den weit ins Land hinaus sichtbaren, öden Fleck fruchtloser Erde, die Frucht der Sonntagsarbeit.

Die beiden letzten Faschingstage, der Freßmontig und der Speiberchtig, sprechen eine so deutliche Sprache, daß ich mich füglich darüber ausschweigen kann. Erwähnen muß ich, daß man am Faschingdienstag die sechsfach aus Rinderhaut geflochtenen Riemenstricke mit Inselt gut einschmieren soll, dann werden sie geschmeidig und halten länger.

Quelle: Der Burggräfler in Glaube und Sage, Hans Matscher, Bolzano 1933, S. 73ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Oktober 2005.
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