DIE DREI HEXEN IN ABTEI

Einmal trug es sich zu, daß ein Bauer von Abtei aus dem benachbarten Wald heimwärts ging und von der Nacht überfallen wurde. Da kam ihm eine schwarze Katze entgegen, und weil er dem Tier nicht aus dem Weg ging, machte es feurige Augen, zog den Buckel in die Höhe und fauchte ihn grimmig an.

Der Bauer trug aber einen tüchtigen Knotenstock in der Hand und walkte das schwarze Vieh weidlich durch, daß es erbärmlich heulte. Alsbald sprangen nun zwei andere schwarze Katzen von ungewöhnlicher Größe herzu, machten ebenfalls glühende Augen und griffen den Bauer mit Krallen und Zähnen wütend an. Allein der Mann war nicht von Forchtheim, ließ seinen Prügel tüchtig arbeiten und erwehrte sich des Angriffs.

Die übel zerschlagenen Katzen suchten alsbald das Weite. Nicht lange darauf wurde der Bauer vor Gericht gerufen. Der Richter sagte: "Mein lieber Mann, Ihr seid bös verklagt worden; Ihr habt neulich im Wald drei Frauenzimmer ohne Ursache blutig geschlagen und müßt Euch verantworten. Redet die Wahrheit, wie die Sache sich zugetragen hat!" Der Bauer entgegnete: "Was sagt Ihr da, Herr Richter? Es ist mir gar nicht erinnerlich, daß ich im Wald jemals drei Frauenzimmern begegnet, noch weniger, daß ich solche blutig geschlagen hätte. Da muß wohl eine Verwechslung vorgekommen sein." "Nein, nein", erwiderte der Richter, "Ihr seid schon der Rechte; sagt's nur frisch g'radheraus, daß Ihr's getan habt! "

"Nein", sagte der Bauer drauf, "wer mich dessen verklagt hat, ist ein Lügner. Es ist allerdings nicht lange her, daß ich drei schwarze Katzen abgeprügelt habe draußen im Wald, weil sie mir den Weg vertreten und mich überfallen haben; aber Katzen sind keine Frauenzimmer." "Ah", versetzte der Richter drauf, "wenn das so ist, dann habt Ihr mir nun einen guten Dienst erwiesen. Denn wißt, die Frauenzimmer, die Euch verklagt haben, sind lang schon im Verdacht der Hexerei. Jetzt habe ich einen klaren Beweis dafür, daß es wirklich Hexen sind. Ich danke Euch!" Damit entließ der Richter den Bauern, und in den Kotter, den die Hexen demselben aufsperren wollten, wurden sie selber gesperrt!

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 675