Gegen Sankt Magdalena

Auf das liebliche Magdalenenkirchlein im Ridnauntal hatte es Pfeifer Huisile schon lange abgesehen. Das Kirchlein war ihm ein Greuel, denn von überall her kamen die Bauern zu frommer Wallfahrt, ja sogar vom Dorf Tirol ging einmal im Jahre eine lange Pilgerfahrt. Auch die Glöcklein von Sankt Magdalena hatten dem Hexenmeister schon oft sein Handwerk zunichte gemacht. Er nahm sich daher vor, das Kirchlein mit Berg und Hof zu vernichten.

Hinter dem Kirchlein befand sich im Talboden damals noch ein kleiner See, den der Hexenmeister auslassen wollte. Mehrmals versuchte er sein teuflisches Werk, aber jedesmal kamen ihm die Glocken von Sankt Magdalena zuvor, so daß er wieder beschämt umkehren mußte. Auf den Mesner von Sankt Magdalena hatte Huisile einen besonderen Groll. Dieser war ein frommer Mann, der mit Argwohn sein Heiligtum behütete. Kaum daß eine schwere Wolke aufzog oder daß Huisile in die Nähe kam, lief er vom tiefer gelegenen Hof hinauf zur Kirche und zog die Wetterglocken. Mit der Zeit wurde Huisile immer wilder und zorniger. Mehr als einmal versuchte er, den Mesner zu überraschen - aber sein Werk wollte ihm nicht gelingen. Der Mesner war schneller. Er trug in stürmischer Nacht stets eine geweihte Wurzel in der Tasche, die ihn schützte, so daß ihm Blitz und Donner nicht beikommen konnten.

Nach schwerer Sommerarbeit aber hatte sich der Mesner einmal todmüde zur Ruhe gelegt. Heimlich war der Hexenmeister wieder in das Tal gekommen, ohne daß der Mesner verständigt worden wäre. In dunkler Nacht hatte er ein schreckliches Gewitter vorbereitet. Der Mesner erwachte und stürmte in aller Hast aus dem Haus zum Kirchlein hinauf, um noch früh genug die Glocken zu läuten. In der Eile hatte er sogar die geweihte Wurzel vergessen. Huisile hatte ein furchtbares Wetter entladen. Blitz und Donner, Regen und Hagel, Wind und Sturm halfen zusammen. Der Mesner ahnte, daß es diesmal gegen Sankt Magdalena selbst ging. Er kämpfte sich durch Sturm und Nacht. Die Hagelkörner schlugen ihm wie Steine ins Gesicht. Kurz vor dem Kirchlein warf der Hexenmeister sogar einen Stein auf den Mesner, der ihn am Fuß traf, daß er nur kriechend in das Kirchlein kommen konnte. Als Folge davon hinkte der Mesner zeitlebens. Aber in letzter Stunde läuteten klagend die Glocken von Sankt Magdalena und das Kirchlein war gerettet. Huisile hat in dieser furchtbaren Wetternacht den tiefen Graben hinter dem Kirchlein aufgerissen und den ganzen Wald an den Steilhängen von Rapont und Reisig. Der Wald ist bis heute nicht mehr nachgewachsen.

*

Mit diesen Naturkatastrophen hängt wohl das berühmte Verlöbnis der Mareiter Bauern zusammen, jährlich am Sankt Peter- und Paulstag eine Wallfahrt nach Maria Waldrast zu machen. Bis zum Jahre 1914 haben die frommen Bauern diese Verpflichtung eingehalten. An dieser Wallfahrt durfte keine Frau teilnehmen.

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 68 - 69.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.