Huisile auf dem Jaufenspitz

Am Kleinen Frauentag findet jährlich der große Kreuzgang der Bauern von Mareit auf die Jaufenkapelle statt. Die frommen Bauern waren damals in solch großer Anzahl gekommen, daß sie in der kleinen Jaufenkapelle nicht Platz finden konnten. Der Prediger stand daher im Freien und sprach in eindrucksvollen Worten über die Barmherzigkeit Gottes. Zur gleichen Zeit ritt Pfeifer Huisile auf seinem Esele den Jaufen hinauf und sah die Menschenmenge bei der Kapelle stehen. Schwer gepeinigt von Angst und Unsicherheit stieg er vom Eselein herunter und wollte sich der Kapelle nähern. Er hörte grad die Worte, daß keine Sünde zu groß sei, um nicht doch Barmherzigkeit zu erlangen. Verzweifelt dachte sich Huisile: "Vielleicht kann ich auch noch gerettet werden...?" Aber bei diesem Gedanken faßte ihn schon der Tuifl und gleichzeitig nahm er ihm auch das Eselein, das sofort verschwand. Dann trug er den zitternden Huisile hoch durch die Lüfte auf den Jaufenspitz. Dort wies er ihn grimmig zurecht:

"Huisile - du bist ein Weibits! So haben wir beide nicht gehandelt! Wir haben ausgemacht, du darfst dich dein Lebtag nicht mehr abwaschen und darfst kein Kreuz mehr machen und kein Vaterunser beten und in keine Kirche hineinschauen! Na - Huisile, du willst umweibern!"

Dann hob der Tuifl Huisilen über die ragende Wand hinunter und wollte ihn in die Tiefe werfen. In diesem Augenblick erschien wieder die Mutter Gottes am Fuße der Wand und hob tröstend das blaue Fürtuch auf. Aber Huisile wies voll Trotz und Stolz auch diesmal die Gnade ab, und er sprach die berühmten Worte:

"Na - umweibern tue i nit!"

Es könnte aber auch heißen:

"Unweibern tue i nit!"

Beides ist gleichbezeichnend für seinen verstockten Sinn, der die letzte Gnade verschmähte. So setzte ihn der Tuifl wieder auf die Erde, er rief das kleine Esele, und Huisile ritt wieder grimmig hinunter ins Tal...

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Ähnlich geschah es auch Huisilen, als er einmal in das Jaufentaler Kirchlein Sankt Ursula hineingehen wollte. Den stärksten Einfluß auf ihn hatte jedoch das Muttergottesbild auf dem Jaufenkirchlein, zu dem er sich immer wieder hingezogen fühlte, da es so außergewöhnlich schön gewesen sein soll!

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 93.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.