Huisile in Sterzing

Mit den Sterzinger Bürgern kam Huisile immer recht gut aus. Er liebte die Stadt und ihre Bewohner. Er hielt sich gerne in den Wirtshäusern auf und erfreute sich des lustigen Lebens und Treibens. Am lustigsten aber war wohl jener große Tag, als er den Sterzingern ein köstliches Schauspiel bot: Mit einem Hahn als Gespann anstatt der Rosse oder Ochsen führte er einen schweren Wagen mit Musel (Baumstämme) hoch beladen durch die Stadt! In der ganzen Umgebung von Sterzing ist dieses lustige Bild bis in die Gegenwart lebendig geblieben, vor allem in Pflersch, Mareit und Ratschinges, ja selbst im Passeiertal und nicht zuletzt in Sterzing selbst! Das schöne Städtlein war in Aufruhr gekommen. Alles strömte in die Neustadt herein, unter dem Zwölferturm durch, um das seltsame Schauspiel zu sehen. In aller Munde war das Wörtlein "Huisile!" Alles schob und drängte und schrie. Die Bürgersfrauen stellten ihre Köpfe durch die Putzenscheibenfenster der schmalen Erker hervor, die Fuhrleute stellten sich in ihren blauen Fuhrmannskitteln auf die schweren Wagen, die entlang der Straße standen, die Stadtschreiber hatten alle Fenster am gotischen Erker des Rathauses geöffnet und guckten auf die Straße. Wie eine Welle wogte das Geschrei in gespannter Erwartung: "Huisile! Huisile"!

Dann kam er daher, in seiner fast vornehm schönen Tracht, mit dem grünen Jöppl über den Schultern und ein grünes Hütl mit einer roten Feder auf dem Kopf. Lässig ging er dem großen Fuhrwerk voran. In der Hand trug er eine lange Geißel. Von Zeit zu Zeit wandte er sich bedächtig um und murmelte gemütlich wie ein Fuhrmann: §§§"Hüo! Hüo!"§§§ Mit steifen Schritten stolzierte der Hahn vor dem schwerbeladenen Wagen. Das Fuhrwerk krachte auf der holperigen Pflasterstraße. Huisile stapfte ruhig daher, winkte den Bürgern zu, grüßte da oder dort, oder er "schnöllte" nach Fuhrmannsbrauch mit der langen Geißel. Die Leute standen zu beiden Seiten wie eine Mauer und rissen Mund und Augen auf vor Staunen und Verwunderung:

"Ja - Huisile kann mehr als ein gewöhnlicher Mensch!"

Doch unter den Zuschauern befand sich ein altes Mannl, das auch mit der schwarzen Kunst vertraut war und das mit Huisilen nit sonderlich gut auskam. Dieses Mannl sagte höhnend zum Volk: "Er hat ja nur einen Strohhalm auf der Fuhre! Einen Strohhalm d'erführ i a mit einem Huhne!" Huisile wurde zornig und widersprach ihm heftig, denn er war seiner Sache sicher. Er konnte mehr als der andere. Aber zufällig kam eine alte Frau daher, die auf dem Felde gewesen war, um etwas "Kühgras" zu holen. Sie trug es in einem alten Korb heim. Zufällig befand sich in diesem Korb auch ein Vierklee. Ein Vierklee aber löst nach dem Volksglauben jeden Zauber, gleich wie das Gold. In diesem Augenblick kam der Schwindel des Hexenmeisters ans Licht: Auf dem Fuhrwerk befanden sich keine Baumstämme mehr, sondern nur Strohhalme! Das Bild dieses seltsamen Zaubergespanns ist so köstlich, daß es von einem Maler an einem Bürgerhause dargestellt werden sollte.

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 38 - 39.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.