Vom Ziroger Manndl

Darüber wurde schon viel geschrieben, niemand hat es aber näher gesehen. Ein Radlbueben-Bue ist aber doch einmal darauf gestoßen. Mit noch anderen Knechten war er eines Tages auf der Riedl-Kaser um Heu zu ziehen. Als den Jüngsten traf es ihn nun, mit einem Schlitten zum unweiten Brünndl um einige "Buggl-Kanndln" Wasser zu fahren. Schon am Hinweg glaubte der Bue hinter einer Staude die zwerghafte Gestalt des Ziroger Manndls lauern zu sehen. Wie erschrack er aber am Rückweg, als er den Knirps als einen Riesen quer über den Steig liegen sah.

Er war so groß, daß es ihm gelang, samt dem Schlitten unter den etwas angezogenen Kniehöhlen des Riesen durchzusausen. -

Nach dem allgemeinen Almabtrieb war ein Schauerbauer von Gossensaß noch mit etwas Galtvieh auf seiner Alm in Zirog geblieben, um die "Ötze" abzuhüten. Gegen Abend lag er auf der Ofenbrugge, als plötzlich die Tür aufging und das Ziroger Manndl hereintrat. Wortlos begann es mit dem Butterschlögeln. Der Schauer war heilfroh, in Ruhe gelassen zu werden und atmete tief auf, als endlich der Geist schweigend hinaus ging. -

Der Elzenbaumer Viktl hatte eines Tages mit dem Tschöfser Jörgl vereinbart, nach Zirog auf den Huhn zu gehen. Ersterer stieg bereits am Vorabend auf die Alm und machte sich im Rieger Heustadl ein Lager zurecht. Gegen 3 Uhr früh hörte er plötzlich Schritte, die sich der Hütte näherten. In der Meinung, es käme sein Jagdkollege nach, rief der Viktl dem Ankömmling entgegen: "Jörgl, bisch du's?"

Statt einer Antwort tat sich das Schupfentor auf und herein trat ein wilder "Loter". Vor dessen unheimlichem Aussehen erschrack der Jäger derart, daß er sich sofort ins Heu verkroch und erst erleichtert aufatmete, als sich derselbe wieder entfernte.

Durch eine "Klunze" (Spalte) äugelte ihm der Viktl nach und sah den Wilden die übliche Route, den Hang hinan und der Schneide entlang, zu Berge steigen.

Nach geraumer Zeit, es war inzwischen langsam Tag geworden, beschloß der Viktl trotz des Spukes allein auf die Pirsch zu gehen. Sein Kollege aus Tschöfs war eben noch nicht aufgetaucht. Der Viktl wollte den weiten Weg nach Zirog hinauf nicht ganz umsonst getan haben und schlug denselben Weg ein, den der Wilde gegangen war.

Er konnte aber von ihm nicht die leiseste Spur finden, brach jedoch selbst bis an die Hüften in den Schnee ein.

Der muß doch rein heraufgeflogen sein, dachte der Viktl, sah aber im selben Moment zu seinem Schrecken, daß das wilde Ungetüm von oben herab auf ihn zukam.

Das reichte ihm. Ohne sich noch lange zu besinnen, machte der Jäger kehrt und lief zu Tale. Seit jener Begegnung mit dem Ziroger Manndl hatte die Alm Ruhe vor dem Elzenbaumer.

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 23 f.